Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zehnter Band. (10)

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geltend zu machen, wenn er selbst an dem Schaden mitschuldig ist“ und 
aus dieser Erwägung eine Culpacompensation darthun, welche eine Be- 
freiung von der Haftung für den entstandenen Schaden bewirkt. Die Ver- 
werthung dieses Satzes wird durch Ausführungen nahe gelegt, welche sich 
in zwei Urtheilen des Reichsgerichtes finden; dieselben besagen u. A. 
dass sich der Verletzte nicht jeder Operation zu unterziehen brauche, einen 
Ersatzanspruch habe er jedoch nur, „wenn er selbst dasjenige, was in seinen 
Kräften steht, zu seiner Heilung gethan und insbesondere die Heilmittel, 
welche die Wissenschaft an die Hand zu geben vermag, in vernünftiger Weise 
benutzt hat. Sein Verhalten muss auch in dieser Beziehung dem- 
jenigen eines vernünftigen Menschen entsprechen.“ Darum ist es 
nicht gerechtfertigt, „wenn eine Operation, welche nach vernünftigem Er- 
messen besondere Gefahren nicht mit sich führt, wegen Gefahren, die nur in 
der Einbildung des Verletzten beruhen, abgelehnt wird“. 
E. weist auch diesen Standpunkt in ausführlicher Motivirung zurück, 
u. A. insbesondere um deswillen, weil die Unterlassung der Beseitigung eines 
Schadens Seitens des Verletzten zur Culpacompensation nicht benutzt werden 
könne, da sie nicht schuldhaft sei. Denn damit die Unterlassung einer Hand- 
lung als culpos erscheinen könnte, müsste eine Rechtspflicht zu ihrer 
Vornahme bestehen. Eine solche Rechtspflicht sei aber hier nicht gegeben. 
Nach Ablehnung der Anschauung, dass die Verweigerung der Opera- 
tion einen Einwand gegenüber dem Entschädigungsanspruch des Verletzten 
begründe, untersucht Verf. die für die Bemessung des verursachten Schadens 
massgebenden Gesichtspunkte und lehnt hiebei insbesondere die Auffassung 
ab, dass der Operationsmöglicheit eine juristische Bedeutung beizu- 
legen sei. 
Von entscheidender Bedeutung erscheint ihm die Frage, welche Macht- 
befugnisse das Civilrecht über den Körper eines lebenden Menschen besitze. 
Diese sei dahin zu beantworten, dass es unbedingt unzulässig erscheine, 
Jemand dazu zu zwingen, eine Operation an sich vornehmen zu lassen; die 
Entscheidung ob operirt werden solle, sei das ausschliessliiche Recht der 
persönlichen Selbstbestimmung. In der Verweigerung der Entschädigung 
für den Fall der Nichtduldung der Operation, liege ein indirekter Zwang, 
der ebenfalls als durchaus unzulässig zu erachten sei. 
E. bespricht endlich die Grundsätze des Reichsversicherungsrechtes 
und gelangt hier zudem mit der Rechtsprechung des Reichsversiche- 
rungsamtes übereinstimmenden Schluss, dass es auch für die Reichs- 
unfallversicherung keine Operationspflicht des verunglückten Versicherten giebt, 
und dass ihn somit in seinen Ansprüchen keine Nachtheile treffen, wenn er 
irgend eine Operation verweigert. 
Ref. ist der Anschauung, dass den Ausführungen der interessanten Ab- 
handlung insoweit zuzustimmen ist, als es sich nicht um ein offensichtlich 
böswilliges Verhalten des Verletzten handelt. Im letzteren Fall dagegen
	        
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