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kann dem Anspruch auf Entschädigung gegenüber mit Erfolg die Einrede
vorgebracht werden, dass die Duldung der Operation böswillig verweigert
wurde. Die Erwägungen, die den angeführten Urtheilen des Reichsgerichts
zu Grunde liegen, erscheinen nicht als widerlegt. Zu erwägen ist hier
vielleicht auch noch folgender Gesichtspunkt: Der Verletzte ist verpflichtet,
wenn anders er seines Anspruches auf Rente nicht verlustig gehen will, sich
in das Krankenhaus zu begeben und sich dort einem entsprechenden Heil-
verfahren zu unterwerfen. Muss er nun hier die ihm verordneten Arzneien
einnehmen ohne berechtigt zu sein, den Gebrauch derselben zu verweigern,
so kann kein anderer Grundsatz für die Duldung einer Operation bestehen,
denn es erscheint zweifellos, dass der Eingriff, der durch den Zwang zur
Anwendung einer Arzenei geschieht, im Prinzip kein wesentlich grösserer ist,
als der durch eine Operation gegebene. Oder sollte wirklich insbesondere
hinsichtlich der Gefährlichkeit z. B. ein bedeutsamer Unterschied bestehen
zwischen dem Zwang zur Aufnahme eines „neuen“ in seinen Wirkungen noch
nicht genau erforschten Heilmittels und dem Zwang zur Gestattung eines
operativen Eingriffs ? Calker.
Jacques Trigant-Geneste, conseiller deprefecture de Saöne-et-Loire,
le proe&s d’espionnage de Leipzig et la loi allemande du
ö juillet 1893 sur la divulgation des secrets militaires
(Journal du droit international prive S. 265—282, 489—504).
Wenig Franzosen beschäftigen sich so eingehend mit den Werken
deutscher Wissenschaft wie JAcquEs TRIGANT-GENESTE. Vermöge seiner
aussergewöhnlichen Sprachkenntniss verfolgt er mit gleichem Interesse und
Verständniss die neuen Erscheinungen auf dem Gebiet der Belletristik wie auf
dem der Jurisprudenz. Gegenwärtig macht er durch litterarische Essays und
Uebersetzungen seinen Landsleuten die Dramen GERHARD HAUPTMANN's zu-
gänglich, das neueste Heft des J. du droit international prive bringt aus
seiner Feder einen trefflichen Aufsatz über den Standpunkt der preussischen
Judikatur und Gesetzgebung gegenüber dem Spiel in auswärtigen Lotterieen.
Dass ein Mann von solcher Vielseitigkeit auch Fragen des internationalen
Rechts in den Kreis seiner Studien zieht, ist natürlich. Als im Jahre 1886
Frankreich sich und seine Nachbarstaaten mit einem Gesetze gegen die
Spionage beschenkte, und von deutscher Seite hierzu das Wort ergriffen
wurde (Referent in diesem Archiv IV S. 457ff.), war er es, der unter
dem Titel „la loi frangaise sur l’espionnage envisagee au point de vue
allemand“ den Schöpfern des Gesetzes zeigte, welchen Wiederhall das-
selbe in dem Lande gefunden hatte, gegen das es besonders gerichtet
war (J. d. dr. int. pr. 1890. S. 437—448). Die vorliegende Schrift knüpft
ebenfalls an einen Akt deutscher Jurisprudenz an, Im Jahre 1893 wurde
das deutsche Spionage-Gesetz erlassen, allerdings nicht, wie Trıaanr
meint, „pour rassurer certains patriots d’outre-Rhin qui inviterent les
Archiv für Öffentliches Recht. X. 8. 33