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schen Gewissen in Oivil- und Strafrequisitionen zu unterscheiden
und unter „entsprechender Anwendung“ der Bestimmungen der
Civil- oder Strafprozessordnung zu erledigen.
Das ist aber, obwohl uneingestanden, doch nur ein kümmer-
licher Nothbehelf!
Denn abgesehen davon, dass es einigermassen schwierig ist,
die Requisitionen der Steuerbehörden als „Civilsachen“ anzusehen,
und die der Vormundschaftsgerichte nach dem Gesetze vom
13. März 1878 als „Strafsachen“, obwohl deren Verfahren weit
grössere Aehnlichkeit mit der übrigen Thätigkeit des Vormund-
schaftsgerichts hat, die doch unter die sog. freiwillige Gerichts-
barkeit fällt, erheben sich sofort bei der Anwendung der Civil-
oder Strafprozessordnung weitere Bedenken, über die sich die
Praxis wohl nur unter dem Drucke der Nothwendigkeit, irgend
ein Durchkommen zu finden, hinwegsetzt.
Wie will man sonst nämlich bei derartigen Requisitionsfällen
über die Vorschrift der Strafprozessordnung (8 65) hinwegkommen,
dass die Zeugenvernehmung grundsätzlich erst in der „Haupt-
verhandlung* unter Eid erfolgt? Oder über $ 352 der O.-Pr.-O.,
wonach über die Rechtmässigkeit der Zeugnissweigerung vom
„Prozessgerichte“ entschieden werden soll?
In letzterer Beziehung ist es besonders lehrreich, dass & 862
Abs. 2 der C.-Pr.-O. für das schiedsrichterliche- Verfahren besondere
Vorsorge getroffen hat’, während z. B. $17 Abs. 3 der Kaiser-
lichen Schiedsgerichtsordnung zum Invaliditäts- und Altersver-
sicherungsgesetze nur die Ausführung der Zwangsmassregeln dem
zu ersuchenden Amtsgerichte vorbehält.
Jedenfalls glaube ich aus dem Gesagten wenigstens die
Folgerung ziehen zu müssen, dass man Mangels ausreichender
” Er lautet: „Dem Gerichte, welches [auf Antrag einer von den
Schiedsrichtera verhandelnden Partei] die Vernehmung oder Beeidigung
eines Zeugen — angeordnet hat, stehen auch die Entscheidungen zu,
welche im Falle der Verweigerung des Zeugnisses — erforderlich werden.“