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rung bis auf Weiteres verneint („Die Inv.- u. A.-V.“, Bd. V, S. 20
No. 11). Der Ausnahmecharakter dieses Rechtsmittels bringt es
mit sich, dass als „andere Urkunde“, welche eine Partei auf-
findet oder zu benutzen in Stand gesetzt wird (8 543 No. 7? der
©.-Pr.-O.), ebenso wie im bürgerlichen Prozess nicht jedes nach-
träglich beschaffte Dokument, auch nicht etwa eine analoge höchst-
richterliche Entscheidung, sondern nur solche Scheine gelten, die
als Beweismittel für die im vorliegenden Prozesse bestrittenen
Thatsachen von Bedeutung sind und zur Zeit des rechtskräftig
gewordenen Urtheils schon vorhanden waren (Amtliche Nachrichten,
Inv.- u. A.-V., 1892 No. 148; 1893 No. 217, 262).
Eine andere, bei verständiger Handhabung weit wichtigere
Ergänzung des formell abgeschlossenen Verfahrens bietet sich in
der Möglichkeit, zu Gunsten des Rentenbewerbers, auch
ohne dass 88 541 ff. der O.-Pr.-O. zutreffen, freiwillig in eine
neue Prüfung seines Anspruchs Seitens der ersten In-
stanz einzutreten. Rein theoretisch besehen ist das ein Un-
ding, und es lässt sich begreifen, wenn PıLoty (Arb.-V.-G.
Bd. I, S. 331) Bedenken äussert. Legt man aber das ent-
scheidende Gewicht auf den praktischen Zweck der Arbeiter-
fürsorge, so erscheint es als ein für die Versicherung hochbedeut-
sames, schönes Recht, sich über engherzige Parteirücksichten und
Formen in geeigneten Fällen hinwegzusetzen und den bei wieder-
holter Sachuntersuchung begründet erachteten Anspruch anzu-
erkennen (Handbuch der U.-V., S. 290; Amtliche Nachrichten,
Inv.- u. A.-V., 1891 No. 58; 1893 No. 258; 1895 No. 410).
So wünschenswerth es zur Ausgleichung etwaiger Härten ist,
wenn die betheiligten Organe von dieser Befugniss Gebrauch
machen, deren Anwendung das Reichsversicherungsamt als wohl-
verstandenes Entgegenkommen gegen die Versicherten be-
zeichnet — stets unterliegt dieser Schritt der freien Entschliessung,
und es kann dabei gegebenen Falls vielleicht von einer morali-
schen, nie aber von einer Rechtspflicht die Rede sein.
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