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so kann das Völkergemisch Oesterreichs überhaupt nur durch die Monarchie
in einem einheitlichen Staatsverbande zusammengehalten werden. Der öster-
reichische Staat ist aber im Gegensatze zu den geschlossenen nationalen
Grossstaaten eine rein historische Bildung, indem durch die verschiedensten
geschichtlichen Thatsachen Länder der mannigfachsten Nationalität, Kultur
und Verfassung unter der habsburgischen Dynastie verbunden wurden. Eine
Untersuchung über die geschichtlichen Grundlagen des Monarchenrechts in
Oesterreich umfasst daher den Kernpunkt der österreichischen Verfassungs-
geschichte.
Da die Österreichische Monarchie auf der Grundlage der deutschen
Landeshoheit erwachsen ist, so liegt der Ausgangspunkt der Untersuchung
in dem älteren deutschen Verfassungsrechte unter besonderer Berücksichti-
gung der Österreichischen Hausgeschichte. Dies ist der’ Gegenstand der
beiden ersten Kapitel. Erst mit der Ausdehnung des Machtbereiches über
die burgundischen, spanischen, böhmischen und ungarischen Länder, welche
im dritten Kapitel behandelt wird, wächst die Dynastie über die Schranken
der deutschen Landeshoheit hinaus. Die drei letzten Kapitel erörtern end-
lich in dem Rechte der Primogenitur, der pragmatischen Sanktion und der
Entwicklung des Monarchenrechts seit Annahme der österreichischen Kaiser-
würde das besondere Hausrecht der österreichischen Dynastie in seinen ge-
schichtlichen Grundlagen. Die Beilagen beziehen sich auf die Rechtsstellung
des kaiserlichen Hauses überhaupt und auf die Bestimmungen des Staats-
grundgesetzes vom 21. Dez. 1867, die im einzelnen erörtert werden.
Bedauerlich erscheint es, dass eine Untersuchung über das Recht des
österreichischen Kaiserhauses immer noch auf das Aeusserste durch die Ge-
heimhaltung der nach der pragmatischen Sanktion erlassenen Hausgesetze,
namentlich der Hausordnung vom 3. Febr. 1839 erschwert wird. Bei dieser
mangelhaften Kenntniss der Quellen muss jede wissenschaftliche Darstellung
eine mehr oder weniger lückenhafte bleiben.
Jedenfalls darf für die ältere Rechtsentwicklung die Darstellung des Ver-
fassers den Anspruch erheben, eine im Wesentlichen erschöpfende und ab-
schliessende zu sein. Auf Grund des gedruckt vorliegenden Quellenmaterials
und der reichhaltigen Literatur kommt die Entwicklung der österreichischen
Monarchie aus der deutschen Landeshoheit zum modernen Grossstaate klar
zur Erscheinung. Den Einflüssen, welche der Erwerb der spanischen und
andererseits der böhmischen und ungarischen Krone auf die Ausbildung des
monarchischen Rechtes geübt hat, ist dabei besonders Rechnung getragen.
Auch die historische Bedeutung der pregmatischen Sanktion hat nach dem
Vorgange BivErMAnN’s eine von der landläufigen Auffassung abweichende
wissenschaftlich begründete Erörterung gefunden, namentlich hinsichtlich der
verschiedenen Bedeutung, welche die pragmatische Sanktion für Ungarn und
für die anderen Territorien hatte, Die Schrift bildet eine wesentliche Be-
reicherung des Österreichischen Staatsrechts, und wenn die Darstellung der
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