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neueren Zeit nach manchen Richtungen dürftiger ausgefallen ist, so ist dies
nicht Schuld des Verfassers, sondern die nothwendige Folge der mangelnden
Publizität der Quellen,
Berlin. Conrad Bornhak.
Dr. Gustav Seidler, Professor an der Wiener Universität, Studien zur
Geschichte und Dogmatik des Österreichischen Staats-
rechtes. Alfred Hölder, K. u. K. Hof- und Universitäts-Buchhändler,
Wien, 1894. 188 S.
Unter der neueren, sich ziemlich reich entwickelnden Literatur der
österreichischen Staats- und Rechtsgeschichte nehmen die Studien des Ver-
fassers eine hervorragende Stelle ein. Die in ihnen behandelten Gegenstände
umspannen mit der durch ihren Inhalt gebotenen Beschränkung den ganzen
Zeitraum der österreichischen Geschichte. Sie dürften daher eine geeignete
Grundlage bilden, um später auf ihnen eine allgemeine Österreichische Rechts-
geschichte aufzubauen. Abgesehen davon, dass es sich bei allen drei Ab-
handlungen um die Entwicklung des öffentlichen Rechtes in Oesterreich
handelt, stehen sie jedoch unter einander in keinem organischen Zusammen-
hange und bedürfen deshalb einer besonderen Erörterung.
Die ersto Abhandlung enthält eine einleitende Uebersicht über die
öffentlich-rechtlichen Verhältnisse in Oesterreich unter den Babenbergern
(976-—1246). Damit ist gewissermassen das Einleitungskapitel zu einer all-
gemeinen österreichischen Rechtsgeschichte bereits gegeben. Nach den
gründlichen Vorarbeiten auf diesem Gebiete konnte der Verfasser allerdings
wesentlich Neues nicht bringen. In dem gedrängten Raume von 21. S. er-
halten wir aber ein vollständiges Bild des öffentlichen Rechtszustandes unter
den Babenbergern. Es wird zunächst die Stellung des Landesherrn vor und
nach dem privilegium minus von 1156, demnächst die Gerichtsverfassung, die
sonstige Regierungsgewalt der Landesherrn, das Ständewesen und die städtische
Verfassung erörtert.
Die zweite Abhandlung hat das Recht der Thronfolge in geschichtlicher
und dogmatischer Darstellung zum Gegenstande. Sachlich leidet sie wie die
Havke’sche Schrift über die geschichtlichen Grundlagen des Monarchenrechtes
an dem vom Verfasser nicht verschuldeten Mangel, dass die Rechtsquellen
zum Theil immer noch geheim gehalten werden. Der geschichtliche Theil
umfasst die Entwicklung des Thronfolgerechtes von Rudolf von Habsburg
bis zur pragmatischen Sanktion, der dogmatische Theil giebt das geltende
Thronfolgerecht. Die geschichtliche Entwicklung des österreichischen Thron-
folgerechtes weicht insofern von dem gemeinen deutschen Staatsrechte ab,
als es sich komplieirt durch die besonderen Institutionen von Ungarn und
Böhmen. Der dogmatische Theil giebt, soweit es die mangelhafte Publizität
der hausgesetzlichen Quellen gestattet, eine Darstellung des Thronfolge- und
Regentschaftsrechtes im Sinne der modernen Staatsrechtswissenschaft, welche