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im Falle der äussersten Noth und dringendsten Gefahr Gehorsam
zu verschaffen, nicht als Missbrauch der Dienstgewalt anzusehen.
Dies gilt namentlich auch für den Fall, wenn ein Offizier ın
Ermangelung anderer Mittel den durchaus nothwendigen Gehorsam
zu erhalten, sich in der Lage befunden hat, gegen den thätlich
sich ihm widersetzenden Untergebenen von der Waffe Gebrauch
zu machen. Dieselbe Bestimmung wird am Schlusse des $ 125
des R.-Mil.-Str.-G.-B. auch für die militärischen Wachen’ gegeben.
Nach Art. 21 der Kriegsartikel für das deutsche Heer und die
Marine vom 31. Okt. bezw. 23. Nov. 1872 ist jeder Vorgesetzte
berechtigt, um seinen Befehlen in äusserster Noth oder drin-
gendster Gefahr Gehorsam zu verschaffen, die Waffe gegen den
Untergebenen zu gebrauchen. Diese Bestimmung weicht, ab-
gesehen von der positiven Ertheilung der Berechtigung, auch
darin von dem 8 124 ab, dass der Fall der Zulassung nicht
kopulativ, sondern alternativ gefasst ist.
In Friedenszeiten hat der Vorgesetzte wohl kaum die Befugniss
zum Waffengebrauch gegen den einfachen Ungehorsam, da hierbei
eine äusserste und dringendste Gefahr schwerlich eintreten kann,
um sich Gehorsam zu verschaffen. Anderes gilt im Kriege oder
bei Aufruhr u. s. w. in Friedenszeiten. Das Strafgesetzbuch für
Baiern vom 29. April 1869, Art. 68, gestattete die Anwendung
von Waffengewalt, äussersten Falles sogar die Tödtung Wider-
spenstiger, den militärischen Vorgesetzten zur Erzwingung des
gegenüber einem Dienstbefehle verweigerten (Grehorsams: „im
Felde bei Allarmirung, beim Anmarsche in’s Gefecht, während
des Gefechtes, beim Rückzuge“. Ferner ist den Vorgesetzten
der Waffengebrauch bei gewaltthätiger Widersetzung oder Be-
drohung mittelst Waffen und in Fällen dringender Noth und in
Ermangelung eines anderen zweckdienlichen Mittels gestattet
(Bair. Str.-G.-B. Art. 68 No. 1a). Dem Offizier ist im $ 124
® S. unten Abth. VI.