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Von alle dem sah man nichts in England. Die Misswirt-
schaft und der Untergang des Julikönigtums in Frankreich und
die parteimässige Handhabung der Verwaltung in Preussen nach
dem Uebergange zum konstitutionellen Systeme führten in Frank-
reich und Deutschland ungefähr gleichzeitig zu der Ueberzeugung,
dass der Grund dieser Erscheinung nicht in der Verfassung,
sondern nur in der Verwaltung liegen könne. Noch einmal, wie
in den Zeiten MONTESquIEus, blickten die Völker des Kontinents
nach dem einzigartigen Staatsgebilde jenseits des Kanals, in dem
allein, wie es schien, die politische Freiheit ihre Verwirklichung
finden konnte. War es der Unterbau der englischen Verfassung,
die englische Verwaltung, welche die Missstände des konstitutio-
nellen Systems verhinderte, so musste der Unterbau der kon-
tinentalen Verfassung, die unvermittelt aus dem absoluten Staate
übernommene Verwaltung, diese Missstände hervorrufen. Die
Reception englischen Staatsrechts schien nur deshalb nicht be-
friedigen zu können, weil sie eine unvollkommene gewesen war,
sich auf das Verfassungsrecht beschränkt und das Verwaltungs-
recht ignoriert hatte.
Diese Bewegung war keine deutsche, sondern eine allgemein
europäische. In Frankreich wies TOcQUEVILLE die Oentralisation
der Verwaltung als den historischen Krebsschaden des Staates
schon seit den Zeiten des Ancien regime nach und forderte De-
centralisation nach englischem Vorbilde. Desgleichen bestand in
Italien nach dessen Einigung eine starke Richtung, geleitet von
ALFIERI und BONCcoMPAGNI, welche im Gegensatze zu der romani-
schen Centralisation den Regionalismus als Grundlage der Ver-
waltung anerkannt wissen wollte. War schon die Auffassung des
Wesens englischer Verwaltung als blosser Decentralisation keine
besonders tiefgehende, so widerstrebte selbst dies dem romanischen
Volksgeiste.e. Die Bewegung hat daher in keinem romanischen
Staate erhebliche Erfolge aufzuweisen gehabt.
Wenn das Ergebnis in Deutschland ein anderes war, so lag