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eine gleiche Kraftäusserung des Beamten sich in einer Weise
kehren, dass dadurch dessen Handlungsfreiheit und berechtigtes
Vorgehen beschränkt oder aufgehoben wird (R.-G. vom 11. Jan.
1883, Rechtspr. V, 24). Der Ausdruck „offene Gewalt“ be-
deutet nur, dass die Anwendung von Gewalt Seitens des Kontra-
venienten deutlich wahrnehmbar ist®”. Gewalt ist in der Praxis
angenommen, wenn Jemand, welcher von einem Orte entfernt
werden soll, durch Anklammern, Festhalten oder Gegenstemmen
Widerstand leistet (Obertrib. 24. Juni 1879, OPpEnHOoFF, Rechtspr.
XX, 311); ferner wenn Jemand sich von dem ihn festhaltenden
Beamten losreisst bezw. loszureissen sucht (R.-G. 2. Februar
1880, Rechtspr. I, 305), den Beamten hinausdrängt (Öbertrib.
11. Sept. 1855 bei OPPENHOFF, Str.-G.-B. 8 113 Note 32) oder
die vom Beamten im Zügel ergriffenen Pferde eines Fuhrwerks
zum Fortgehen antreibt (Obertrib. 8. Sept. 1852 bei OPPENHOFF,
a. a. O. Note 34). Dasselbe gilt von dem (wenn auch nur ver-
suchten) Entreissen einer amtlich in Besitz z. B. in Beschlag ge-
nommenen Sache (Obertr. 28. Jan. 1857, OPPENHOFF, Note 35),
nicht aber von einem blossen Fortnehmen (Obertrib. 10. Okt. 1855,
GOLTDAMMER’S Archiv III, 833), dagegen wiederum von dem Fest-
halten der Sache, welche der Beamte fortnehmen will (Obertrib.
14. Mai 1852, OPPENHOFF, Nr. 36).
Der Ausdruck „Verbrecher“ ist im weitesten Sinne zu nehmen,
es fallen darunter auch solche Personen, welche sich nur einer
Uebertretung schuldig gemacht haben z. B. Bettler, Landstreicher.
Gegen fliehende Personen dürfen die Waffen nicht an-
gewendet werden und zwar selbst dann nicht, wenn sie von dem
(Grensdarm u. s. w. vorläufig festgenommen waren und nunmehr
8 Dies würde nicht zutreffen in dem Falle, in welchem das Reichs-
gericht (Urtheil vom 1. Nov. 1880, Entsch. II, 441) Gewalt gefunden hat,
nämlich in einem vertheidigungsweisen, passiven körperlichen Verhalten, wenn
zu dessen Ueberwindung eine grössere Aufwendung von Körperkräften seitens
des Beamten erforderlich ist,
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