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zu treffen und namentlich dahin zu wirken, dass baldigst auf den
Eisenbahnen im Gebiet des Bundes übereinstimmende Betriebs-
Reglements eingeführt würden, erging zur Erfüllung der letztge-
dachten Verpflichtung das Betriebs-Reglement vom 10. Juni 1870,
welches im Eingange ausdrücklich als in Ausführung des Art. 45
der Bundesverfassung erlassen bezeichnet ist. Zu den Mass-
regeln desselben, welche einen bei allen Eisenbahnen gleich-
mässigen Betrieb herbeiführen sollten, gehörte auch die Auf-
stellung eines Normalfrachtvertrags im Anschluss an die
ähnlichen Bestimmungen, welche schon das Vereins-Betriebs-
Reglement vom 1. März 1865 enthielt. Wenn gleich diese
Bestimmungen an sich nur eine Vorschrift für die Eisen-
bahnrerwaltungen enthalten, denen dadurch eine Norm be-
züglich der Frage gegeben wurde, welche Transporte als regle-
mentsmässig zu übernehmen und welche als reglementswidrig ab-
zulehnen seien (H.-G.-B. Art. 422), so erlangen die Bestimmungen
des Reglements doch die Bedeutung einer Norm bezüglich
der aus den Frachtverträgen entspringenden Privat-
verhältnisse dadurch, dass sowohl der Absender als die Bahn-
verwaltung den Frachtvertrag nach Massgabe des Reglements
abschliessen. Indem der Absender das Frachtgut mit der im
vorgeschriebenen gedruckten Frachtbrief enthaltenen Erklärung
übergiebt, er übersende dasselbe „auf Grund der in dem Regle-
ment enthaltenen und ihm bekannten *?° Bestimmungen, welche
für diese Sendung in Anwendung kommen“, die Bahnverwaltung
aber das Frachtgut gemäss dieser Erklärung zum Transport über-
nimmt, bilden die Bestimmungen des Reglements einen Bestand-
theil des Frachtvertrags. Sie kommen daher in jedem einzelnen
#3 Die Worte „und ihm bekannten“ sind in dem jetzt vorgeschriebenen
Frachtbrief-Formular weggefallen, was aber an der Sache nichts ändert. Wer
sich auf eine Bestimmung, auch wenn sie ihm gegenüber an sich keine
bindende Kraft besitzen würde, ausdrücklich beruft, der muss sie auch kennen
oder doch die Folgen tragen, wenn er sie nicht kennt.