— XIV —
Recht überhaupt und das öffentliche Recht ganz besonders ist
daher zwar sozialer Machtausdruck und ohne Kenntnis der
sozialen Faktoren, auf denen es beruht, nicht verständlich. Aber
es ist ein Erzeugnis freien menschlichen Handelns. Damit nähert
sich die Auffassung von Recht und Staat trotz des einseitig
sozialen Ausgangspunktes, zu dem die Perspektive der inneren
Politik verleitet hatte, der historischen Betrachtungsweise und
entfernt sich weit von dem modernen Materialismus.
Bei einer solchen Annahme der Möglichkeit freien mensch-
lichen Handelns zur Durchführung der allgemeinen Gesetze von
Staat und Gesellschaft konnte GnEIST auch erst daran denken,
die Ergebnisse seiner Forschungen über englisches Staatsrecht für
den deutschen Staat unmittelbar nutzbar zu machen. Sollten doch
seine Untersuchungen über englisches Recht uns nicht bloss Kennt-
nis geben von den staatlichen Verhältnissen einer der ersten
Kulturnationen des Weltalls — in dieser Beziehung würde Eng-
land kaum mehr unsere Beachtung erfordern, als etwa Nord-
amerika oder Italien. Das englische Recht bietet ihm nur das
geeignetste Mittel, um die für die heutige europäische Welt all-
gemein giltigen Grundsätze über das Verhältnis von Staat und
(esellschaft, über die Aufgabe des Staates gegenüber einseitigen
K.lasseninteressen und über die Mittel zur Erfüllung dieser Auf-
gabe zu entwickeln. Nach Massgabe dieser Grundsätze sollen die
altbewährten englischen Einrichtungen der Selbstverwaltung und
der Verwaltungsrechtsprechung nach Deutschland übertragen wer-
den auf dem Boden der gegebenen Verhältnisse.
Es ist ein bestimmtes Staatsideal, welches ihm dabei vor
Augen schwebt, die Durchdringung aller öffentlichen Lebens-
verhältnisse von dem Bewusstsein der Pflicht gegenüber dem Staate.
Vielleicht klingt es absurd, aber es liegt doch eine gewisse Wahr-
heit darin, dass der gründlichste Kenner englischen Staatsrechtes
hier den Irrtum seines grossen Vorgängers MONTESQUiEU teilte,
jenes Staatsideal in England verwirklicht zu sehen, das er sich