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gehen, dass der betreffende Senat zwar gewisse Bedenken trug,
die bisher im Reichsgericht herrschende Auffassung ohne Weiteres
als richtig anzuerkennen, dass er sich damit aber auch nicht in
Widerspruch setzen wollte.
9.
Die nach Obigem in der Praxis zur Herrschaft gelangte
Auffassung von der Rechtsnatur des Betriebs-Reglements — jetzt
Verkehrs-Ordnung — als einer den Eisenbahnen im Verwaltungs-
wege auferlegten allgemeinen Norm für den Abschluss des Fracht-
vertrages, welche in jedem einzelnen Falle zur lex contractus wird,
ist auch in der Theorie die herrschende. Sie ist zuerst und mit
grossem Scharfsinn ausführlich entwickelt von LABAnp. Indess hat
dieser Rechtslehrer dem im Urtheil des Reichsoberhandelsgerichts
vom 30. Nov. 1875 (s. oben No. 7) niedergelegten Grundgedanken
allerlei eigene, besonderer Prüfung bedürftige Zuthaten beigefügt.
In seinem Staatsrecht des Deutschen Reichs * ist unter Berufung
auf das erwähnte Urtheil im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die Rechtsregeln über das Frachtgeschäft der Eisenbahnen
seien in Wege der Gesetzgebung durch das Handelsgesetzbuch
gegeben. Dieses könne der Bundesrath weder abändern, noch
ergänzen. Das Handelsgesetzbuch enthalte aber im Allgemeinen
nur dispositive Bestimmungen, d.h. es gestatte — vorbehaltlich
gewisser Ausnahmen — den Parteien, insbesondere den Eisen-
bahnen, ihren Verträgen auch einen anderen Inhalt zu geben.
Das Betriebs-Reglement stelle die Bethätigung dieser Vertrags-
freiheit dar, indem es die Bedingungen für den Transport von
Personen und Gütern enthalte, zu deren Vereinbarung die Eisen-
bahnen nach dem Handelsgesetzbuche befugt sind. Soweit also
das Betriebs-Reglement (jetzt die Verkehrs-Ordnung) nicht mit
zwingenden Vorschriften des Handelsgesetzbuches im Widerspruch
# 1. Aufl. (1878), Bd. II, S. 372ff. in Verbindung mit S. 362ff., 88ff.,
— 2. Aufl. (1890), Bd. II!, S. 224 ff. in Verbindung mit S. 116ff. und Bd. I,
S. 610ff.