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stehe, komme jenem rechtliche Wirksamkeit zu, aber nicht die
von Rechtsregeln, sondern die von Vertragsfestsetzungen. Sein
Erlass stelle sich juristisch dar als ein „Verwaltungsbefehl*“
an die Eisenbahnunternehmer, alle Transportverträge nach den
darin formulirten Bedingungen abzuschliessen. In Wirklichkeit
hebe dieser Erlass eines obligatorischen Transportreglements die
im Handelsgesetzbuch gewährte Vertragsfreiheit wieder auf. Ein
solcher Verwaltungsbefehl sei aber ein Akt der Einzelstaaten in
Erfüllung der ihnen durch Art. 45 der Reichs-Verfassung gestellten
Aufgabe, dahin zu wirken, dass auf allen deutschen Eisenbahnen
übereinstimmende Betriebs-Reglements eingeführt werden. Dies
entspreche dem Wortlaut des Art. 45 und dem Prinzip, dass
die Einzelstaaten die Verwaltung ihrer Staatsbahnen und die
Hoheitsrechte über die in ihrem Gebiete liegenden Privatbahnen
behalten haben. Sie hätten zwar die verfassungsmässige Pflicht,
an der Einführung übereinstimmender Betriebs-Reglements ınıt-
zuwirken, und würden ihre Pflicht verletzen, wenn sie dem vom
Bundesrathe beschlossenen Betriebs-Reglement keine (seltung ver-
schafften. Materiell könnten sie daher ihren Eisenbahnverwal-
tungen keinen mit diesen im Widerspruche stehenden Dienst-
befehl ertheilen. Formell aber ergehe dieser Befehl von den
Einzelstaaten aus, nicht vom Bundesrath‘*°.
10.
Eine zwischen den beiden bisher dargestellten Hauptsystemen
in gewissem Sinne die Mitte haltende Auffassung vertritt ARNDT,
das Verordnungsrecht des Deutschen Reiches (Berlin und Leipzig
1884). S. 112.
#5 Dieser letzten Argumentation, auf deren Unzutreffendes wir unten
(No. 11) näher eingehen werden, folgen auch verschiedene Schriftsteller,
welche bezüglich der Rechtsnatur des Betriebs-Reglements im Allgemeinen auf
dem entgegengesetzten Standpunkte stehen, namentlich HÄneL und SCHOTT,
im Gegensatz von ZoRN (s. oben No. 6).