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Staatsanwaltschaft als einer ministeriellen Justizverwaltungsbehörde
mit jenem Prinzip sich nicht mehr vereinbaren lässt und ihre
Uebermacht zum Absolutismus und zur Kabinetsjustiz des Polizei-
staats zurückführt, wenn eine Staatsregierung von der „Leitung“
der ihr unmittelbar unterstellten Behörde willkürlich oder aus
Interessenherrschaft (Opportunität) Gebrauch zu machen für gut
befindet in Form dienstlicher, allgemeiner, die Anwendung oder
Ausserachtlassung einzelner Strafgesetze fordernder, oder im ein-
zelnen Fall gebietender, Anweisungen, welchen jetzt unbedingt von
den Beamten der Staatsanwaltschaft Gehorsam geleistet werden
muss, bei Vermeidung aller Disziplinarmassregeln, wenn auch sonst
das Strafgesetz unbedingte Vollziehung um seiner Selbstgeltung
willen fordert und & 152 der Str.-Pr.-O. die Staatsanwaltschaft
„verpflichtet, wegen aller gerichtlich strafbaren und verfolg-
baren Handlungen einzuschreiten, sofern zureichende thatsächliche
Anhaltspunkte vorliegen* — allein unter der weittragenden Ver-
klausulirung: „soweit nicht gesetzlich ein Anderes bestimmt
ist“, worunter eine aus 8$ 147 und 148 des G.-V.-G. erlassene
Weisung fallen kann, welche unter Umständen die Wirkung eines
sonst nur dem Landesherrn zustehenden Akts der Begnadigungs-
gewalt in der Form der Niederschlagung einer Strafverfolgung
(sog. Abolition oder Abstition) haben kann, wenn eine selbst ge-
richtshängig gewordene Untersuchungssache in den Händen der
Staatsanwaltschaft verblieben ist und nicht weiter von ihr betrieben
wird, da ja nach $& 154 der Str.-Pr.-O. nur die „Zurücknahme“
der öffentlichen Klage nach Eröffnung der Untersuchung verboten
ist, sonst aber die Untersuchungs- und Strafgerichte gar keine
Veranlassung haben, von Amtswegen nach dem Verbleib einer bei
ihnen anhängig gewesenen Strafsache zu fragen, da ihnen ja nach
8 151 des G.-V.-G. jede Aufsicht über die Staatsanwaltschaft
im Strafverfahren“, Tübingen 1892; Gerichtssaal Bd. 49, S. 241—327: „Zur
Unabhängigkeit der Strafrechtspflege“ ; auch das Buch: „Das Vorverfahren
des deutschen Strafprozesses“, Giessen 1893.