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code d’instruction criminelle von 1808, das in den Rheinlanden
Aufnahme gefunden hatte, bot ein fertigeres modernes Bild eines
organisirten Verfahrens dar, während das englische, schottische
und nordamerikanische Strafverfahren weniger bekannt war, von
welchen das schottische mit seiner Kronanwaltschaft am ersten
den deutschen Anschauungen hätte angepasst werden können.
Schwurgerichte und Staatsanwaltschaft schienen bei der Reform
des Strafverfahrens untrennbar und beide galten in französischer
Gestalt als nachahmungswürdig, wie so viele andere Staatsein-
richtungen seit der grossen Revolution.
In der Staatsanwaltschaft erkannte man jedoch damals nur
das staatliche Organ der Strafrechtspflege neben den Straf-
gerichten und zwar nur als Vertreter der Rechtsordnung im
Staate, nicht als Vertreter der Regierung in der Staats- besonders
Justizverwaltung, welches nothwendig sei, um die absolute
Geltung des Gebotes der Strafgesetze: „Strafe soll unter der
gesetzlichen Voraussetzung in jedem Falle sein“! gegen deren
Uebertreter zu erzwingen, die eine Staatspficht weit mehr als
ein blosser Strafanspruch des Staates sei, um die Rechts- und
Staatsordnung (Rechtsgüterschutz inbegriffen) im geordneten Wege
eines von der Regierung unabhängigen Rechtsverfahrens mit
Hilfe der Staatsklägerschaft zu erhalten. Die Einmischung der
Staatsregierung in den Lauf der Strafrechtspflege als „Kabinets-
Justiz“ war grundsätzlich ebenso verpönt, wie die Abhängigmachung
des Eintritts einer Strafverfolgung von der Willkür eines Privaten,
abgesehen von den für diesen ausgenommenen, durch Gesetze
bestimmten Fällen. Die Staatspflicht der Strafverfolgung, die
vorher den Gerichten allein zu erfüllen oblag, sollte im Straf-
prozessbetrieb vorzugsweise der Staatsanwaltschaft in Erfüllung
der Forderungen des Legalitätsprinzipes obliegen unter Ausschluss
aller anderen Nebenrücksichten der Opportunität oder Willkür.
Im Anklang an die schottisch-englische Kronanwaltschaft ward
auch im Frankfurter Parlament zu $ 179 der Reichs-Verf. der