— 209 —
geleitet werden durfte. Man fragt daher, wie es kommen konnte,
dass in das spätere Strafverfahren nach 1849 das sog. Opportuni-
tätsprinzip Eingang finden konnte? Nach 88 7 und 8 das. sollte
der Staatsanwalt Untersuchungshandlungen, Verhaftungen oder Be-
schlagnahmen nicht selbst vornehmen, sondern bei den Gerichten
oder Polizeibehörden beantragen, aber allen Verhandlungen bei-
wohnen, Akteneinsicht und das Antragsrecht zur Vervollständigung
u. s. w. haben dürfen. Nur der Staatsanwalt konnte die öffent-
liche Klage erheben (sog. Anklagemonopol), bei Antragsdelikten
nur in Folge eines Antrags des Verletzten, bei Amtsvergehen nur
auf Antrag der Dienstbehörde, konnte jedoch bis zur förmlichen,
durch Gerichtsbeschluss erfolgten Eröffnung der Untersuchung
seinen Antrag zurücknehmen, andererseits gegen einen jene Er-
öffnung ablehnenden Gerichtsbeschluss innerhalb zehntägiger Aus-
schlussfrist Beschwerde an das Obergericht einwenden, bei dessen
Entscheidung es zu verbleiben hatte. In Betreff der Rechts-
anwendung waren die Gerichte nicht an Anträge des Staatsanwalts
gebunden. Dass hiernach die Staatsanwälte Preussens unter dem
Schutze des angeführten 8 6 des Gesetzes vom 17. Juli 1846
gegenüber etwaigen, mit dieser Grundbestimmung in Widerspruch
tretenden ministeriellen „Anweisungen“ diesen selbständiger gegen-
über treten konnten, als später, wo das Opportunitätsprinzip das
Legalitätsprinzip verdrängt hatte, lag auf der Hand. War ur-
sprünglich die Staatsanwaltschaft mehr als eine Justizbehörde
neben den Strafgerichten zum Betrieb der Strafverfolgung bis zur
Strafvollstreckung gedacht, so vermochte es doch die Praxis ge-
rade in der Konfliktszeit unter verschiedenen Ministerien (v. LIPPE,
v. HınckELDEy), durch Normativreskripte und Instruktionen, die
gerade in Preussen mehr als in anderen deutschen Staaten von
der Regierung ergingen, eine schablonenmässige Leitung auch
der Justizbehörden von oben herab einzuführen, und daher kam
es, dass die Anfangs prozessrechtliche Stellung der Staats-
anwaltschaft hinter die staatsverwaltungsrechtliche (politische)
Archiv für öffentliches Recht. XI. 2. 14