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anwalt als Gesetzesvollzugsorgan gegeben werden darf. Man
schuf mit jener „Leitung“ sehr zum Nachtheil des Ansehens der
Strafrechtspflege eine Verstärkung der Regierungsmacht und
untergrub damit das Vertrauen der Gesellschaft zur Gleichmäs-
sigkeit und Unparteilichkeit der Rechtspflege — selbst seitens der
Gerichte, deren Beeinflussung durch die Staatsanwaltschaft miss-
trauisch geargwöhnt wird — ob mit Grund oder Ungrund, das
wird von den in einzelnen Staaten gemachten Erfahrungen ab-
hängen; jedenfalls läge die Ursache dazu in der Gesetzgebung
selbst, wie vielfach anerkannt ist.
Der besonders im Anfang von den rheinischen Juristen ge-
pflegten und in norddeutsche Gesetze übertragenen Anschauung
von dem hohen Beruf der Staatsanwaltschaft und deren Ver-
wandlung in ein Justizverwaltungs- und Regierungsorgan standen
die mittel- und süddeutschen Juristen und Gesetzgebungen
abwehrend gegenüber, indem sie eine Anknüpfung an die
deutschrechtliche Entwickelung der Gerichtsbarkeit und Straf-
rechtspflege und an die Reformbedürfnisse eines organisirten
Parteivertretungsverfahrens nach Analogie des Civil- und
Privatanklageprozesses suchten und die grundrechtliche Sicher-
heit der Rechtspflege gegen Regierungseinflüsse als
Axiom festhielten, sodass man sich an die Gerichtsbarkeit an-
zulehnen suchte und die Staatsanwälte zur Vertretung des Klage-
und Strafverfolgungsberufs aus den Richtern entnahm, wie dies
im älteren deutschen Verfahren der Fall war, indem im Mangel
eines besonderen Klägers der Richter (Schultheis, Vogt u. dgl.)
zur Sühnung des Unrechts von seinem Stuhl aufstand und, nach-
dem er einen anderen als Richter eingesetzt hatte, als amtlicher
Kläger auftrat. Die Zulassung des „öffentlichen Anklägers“
in Württemberg, Bayern, Hessen-Darmstadt, Nassau fand in
deren Strafprozessgesetzen erst im Hauptverfahren statt, da zum
Theil der Prozessbetrieb wie früher den Gerichten für das Ver-
fahren von Amtswegen verblieb, zum Theil auf vorgängigen An-