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solche Missbräuche, soweit dadurch das öffentliche Interesse allein
berührt werde, niemals in kriminalprozessualischen, immer nur in
staatsrechtlichen Einrichtungen gefunden werden könne. Wenn
nun dieselben Motive bemerkten, dass es im öffentlichen Interesse
liege, alle Verbrechen zu bestrafen und die durch Verbrechens-
verübung bewirkte Störung des öffentlichen Friedens und Rechts-
zustandes wiederherzustellen, woraus sich das Recht wie die
Pflicht des Staates zur Strafverfolgung ergebe, so scheint doch
damit mehr das Legalitätsprinzip als das Opportunitätsprinzip
anerkannt zu sein, welches letztere andere Ausleger aus & 30 der
österr. Str.-Pr.-O. entnehmen, der also lautet: „Die Mitglieder
der Staatsanwaltschaft haben in dem ihnen angewiesenen Wir-
kungskreise das Interesse des Staates zu wahren“. Dies kann
aber doch kein über dem vorbegrenzten Rechtsinteresse stehendes
höhere, politisches oder opportunes Interesse der Regierung auch
etwa an der Nichtverfolgung eines der Regierung unbequemen
Falles sein, etwa zur Vermeidung eines Öffentlichen Skandals?!
Von anderer Seite wird das behauptet und hier treten sich Lega-
listen und Opportunisten gegenüber. Indessen ist aus dem Hand-
buch des Strafprozesses von GLASER (weiland Professor, Justiz-
minister und bis zu seinem vor mehreren Jahren frühzeitig
eingetretenen Tode Generalprokurator am obersten Gerichtshofe
zu Wien), aus dessen Feder der Entwurf der österreichischen
Strafprozessordnung herrührt, a. a. O. I, S. 222, Anm. 10 hervor-
zuheben, dass dort das Opportunitätsprinzip „nicht proklamirt“
sei, indem auch von der Regierung im Herrenhause, Sitzung vom
19. Febr. 1873, mit den Worten darauf hingewiesen sei, „von
einem freien Ermessen des einzelnen Staatsanwalts, vermöge
dessen er aus Opportunitätsgründen eine Verfolgung zu unter-
lassen vermöchte, könne nicht gesprochen werden“. Freilich war
damit nicht ausgeschlossen, dass der einzelne Staatsanwalt von
seinem Vorgesetzten aus Rücksichten das „Interesse des Staates“
oder der Opportunität, des wirklichen oder auch scheinbaren