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die Vermeidung eines Stillstandes oder einer Verschleppung der
Rechtspflege („Justizverweigerung“ in Art. 17 der Reichsverfas-
sung, wie in der Bundesakte von 1815), welches aber gegenüber
der Staatsanwaltschaft den $ 148 des G.-V.-G. ergänze, so dass
ausser der allgemeinen Kontrolle über die Strafgesetzvollziehung
auch in einzelnen Fällen eingeschritten werden könne, wenn reichs-
gesetzlich obliegende Pflichten (8 152 Abs. 2 der Str.-Pr.-O.) ver-
nachlässigt würden, denn die Strafrechtspflege bezüglich der Voll-
ziehung der Reichsgesetze sei vom Reiche grösstentheils den
Einzelstaaten überlassen worden zur Erfüllung des Eingangs der
Verfassungsurkunde aufgestellten Bundeszweckes (Art. 4 No. 13).
Bekannt ist, dass im Jahre 1877 ein Fall solcher Aufsichts-
führung in Hamburg vorgekommen ist — erst auf Anregung der
Presse —, wo auf eine wegen Verweigerung der Erhebung der
öffentlichen Klage wegen Kuppelei nach & 180 des Str.-G.-B.
gegen die Bordellinhaber erhobene Beschwerde der Senat vom
Bundesrath die Aufforderung erhielt, die Staatsanwaltschaft zur
Klageerhebung zu veranlassen. Dahin gestellt bleiben mag, ob
die Reichsaufsicht zur Beseitigung von Rechtsungleichheiten in
der Handhabung der Staatsanwaltspraxis in Rechtsfragen, z. B-
bei Unterlassung von Revisionseinwendungen, oder wo das Reichs-
gericht nicht aushelfen könne, Platz greife?
Im Uebrigen bleibt zur Rüge der Unterlassung der Voll-
ziehung der Landesstrafgesetze und der Reichsstrafgesetze, sofern
nicht der angegebene Weg der Beschwerde bei dem Bundesrath
mit Erfolg zu betreten versucht werden möchte, nur die sog.
parlamentarische Kontrolle und die öffentliche Rüge durch die
Presse übrig, wobei die Grenzen des & 131 des Str.-G.-B. ein-
zuhalten sind. — Als im Plenum des Reichstags die Abstimmung
über die beiden Paragraphen des Gerichtsverfassungsgesetzes zur
Ueberraschung der Kommissionen im Sinne des Entwurfes aus-
gefallen war, äusserte sich der ehemalige hannoversche Kronober-
anwalt Dr. WINDTHORST erregt dahin, dass die beschlossene