Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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ist. Das Gericht beschliesst, eine Zeugin in E durch Ersuchen 
des dortigen Amtsgerichts über die Identität der beiden Becher, 
zu vernehmen. Der Zeugin soll aufgegeben werden, in dem eine 
halbe Tagereise von E entfernten, gleichfalls zu dem Amts- 
gerichtsbezirke E gehörigen D den Becher zu besichtigen. 
Um zu erkennen, ob hier ein Akt der Rechtshülfe verlangt 
wird, sehen wir von dem offenbar zufälligen Umstande ab, dass 
E und D nicht zum Bezirke des Landgerichts A gehören, und 
das Landgericht deshalb die Zeugin nicht vor sich selbst geladen 
hat!®, Nehmen wir an, dies sei geschehen und fragen nun: Ist 
das Landgericht dann zu der gedachten Auflage befugt? Die 
Antwort muss m. E. verneinend ausfallen. Die Civilprozess- 
ordnung (gemäss 8 65 der K.-O. auch für das Konkursverfahren 
massgebend) und die Strafprozessordnung kennen nur drei dem 
Zeugen obliegende (übrigens von Ausnahmen durchbrochene) 
Pflichten: 
1. vor Gericht zu erscheinen, 
2. auszusagen, 
3. seine Aussage zu beeidigen. 
Eine Pflicht, Wissenschaft über die Dinge, bezüglich deren 
man gehört werden soll, sich zu verschaffen, hat die Reichsgesetz- 
gebung mit gutem Grunde nicht als Bestandtheil der Zeugen- 
pflicht anerkannt, auch fehlt es an jedem Anhalte dafür, dass dem 
Gerichte eine diskretionäre Befugniss zustehen soll, seinerseits 
eine solche Pflicht aufzuerlegen. Wäre es doch auch geradezu 
auffällig, dass das Gericht zur Erzwingung der drei erwähnten Seiten 
der. Zeugenpflicht bedeutende Machtmittel in Händen hat, der 
Weigerung des Zeugen aber, seiner vierten Verpflichtung zu ge- 
nügen, machtlos gegenüber stände. Und nicht minder sonderbar 
wäre es, dass das Gesetz dem bedürftigen Zeugen, um ihm die 
durch entfernten Aufenthaltsort mit Kosten beschwerte Erfüllung 
13 Wozu es ja bekanntlich trotzdem befugt war. 
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