Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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kann doch immer nur die Aufgabe der Rechtswissenschaft sein. Mit 
stärkerer Betonung der theologischen Anschauungen ist es da nicht gethan. 
Ein Kirchenrecht der Theologen oder ein theologisches Kirchenrecht 
giebt es nicht; es giebt nur ein juristisches Kirchenrecht. Ein Kirchenrecht 
für Theologen lassen wir uns gefallen. Das kann etwas sehr Nützliches sein, 
ja etwas Nothwendiges, soll anders der Pfarrer gehörig ausgerüstet werden 
für seinen wichtigen Beruf. Eine derartige Darstellung wird sich dann 
wesentlich auf das unmittelbar praktisch Verwerthbare richten und in dem, 
was sie an Vorbildung und Annahmefähigkeit voraussetzt, ihrem besonderen 
Leserkreise anpassen müssen. Ein „theologisches“ Kirchenrecht in diesem 
Sinne zu liefern, ist allerdings der Verf. wohl berufen, weniger als Theo- 
loge, denn als Kirchenrechts-Praktiker von seinem kirchenregimentlichen 
Amte her. Er bringt da eine Fülle von Anschauung der wirklichen Dinge 
mit, die für eine solche Arbeit von besonderem Werth sein muss. 
In dem Bestreben, diesem Kirchenrecht seinen unjuristischen Charakter 
zu wahren, ist die Bestimmtheit und Geschlossenheit der Rechtsbegriffe, 
freilich, wie uns scheint, manchmal all zu ängstlich vermieden worden. 
Betrachten wir z. B. die Lehre vom geistlichen Amte, so wird uns über 
das Wesen desselben S. 160 gesagt: „Das Amt entspringt aus der Gemeinde, 
dies jedoch nicht im 'modern demokratischen Sinne, sondern kraft der cheris- 
matischen Gliederung der Gemeinde. Der Amtsträger ist der Gemeinde von 
Gott gegeben, nämlich durch die Geistesbegabung (für das Amt der Pro- 
phetie und der Lehre), ihre Sache ist es, die göttliche Begabung anzu- 
erkennen u. s. w.* Sollte das wörtlich die Rechtsstellung des heutigen 
evangelischen Pfarrers sein? Nach dem richtig verstandenen SoHMm wird diese 
ja gerade auf einem Bruch mit der cherismatischen Ordnung beruhen. 
Dann folgt: „Die Vollmacht des Amtes als potestas ordinss“, unter 
welcher Ueberschrift aber eigentlich mehr von potestas jurisdietionis die 
Rede ist, um zu sagen, dass auch diese eigentlich nicht mit dem Pfarramte 
verbunden ist. 
Die Ordination (S. 177ff.) ist erst Zeugniss der Berufung zum Amt, 
dann wieder selbst Vollmacht zur Verrichtung pfarramtlicher Handlungen. 
Als solche soll sie „gewohnheitsrechtlich* auch nach dem Ausscheiden aus 
dem Amte fortwirken (S. 181), also nach dem Erlöschen der eigentlichen 
Vollmacht. Die Fähigkeit, einen Pfarrer mit dessen Einwilligung in einem 
Amtsgeschäfte zu vertreten, wird aber viel einfacher aus dem Begriff des 
Zeugnisses zu erklären sein, den man nur festhalten muss. 
Unter der Ueberschrift „Verpflichtung auf Schrift und Bekenntniss“ 
(S. 183ff.) wären wir sehr begierig gewesen, aus der Praxis heraus ein Wort 
darüber zu hören, inwiefern in dieser Beziehung rechtliche Schranken und 
Gebundenheiten wirksam werden mögen. Aber wo das Recht anfängt, hört 
der Verf. auf. Er begnügt sich mit dem Satze, dass das niemals zu einem 
„in juristischer Weise zu handhabendem Lehrgesetze* werden kann. Als ob
	        
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