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kann doch immer nur die Aufgabe der Rechtswissenschaft sein. Mit
stärkerer Betonung der theologischen Anschauungen ist es da nicht gethan.
Ein Kirchenrecht der Theologen oder ein theologisches Kirchenrecht
giebt es nicht; es giebt nur ein juristisches Kirchenrecht. Ein Kirchenrecht
für Theologen lassen wir uns gefallen. Das kann etwas sehr Nützliches sein,
ja etwas Nothwendiges, soll anders der Pfarrer gehörig ausgerüstet werden
für seinen wichtigen Beruf. Eine derartige Darstellung wird sich dann
wesentlich auf das unmittelbar praktisch Verwerthbare richten und in dem,
was sie an Vorbildung und Annahmefähigkeit voraussetzt, ihrem besonderen
Leserkreise anpassen müssen. Ein „theologisches“ Kirchenrecht in diesem
Sinne zu liefern, ist allerdings der Verf. wohl berufen, weniger als Theo-
loge, denn als Kirchenrechts-Praktiker von seinem kirchenregimentlichen
Amte her. Er bringt da eine Fülle von Anschauung der wirklichen Dinge
mit, die für eine solche Arbeit von besonderem Werth sein muss.
In dem Bestreben, diesem Kirchenrecht seinen unjuristischen Charakter
zu wahren, ist die Bestimmtheit und Geschlossenheit der Rechtsbegriffe,
freilich, wie uns scheint, manchmal all zu ängstlich vermieden worden.
Betrachten wir z. B. die Lehre vom geistlichen Amte, so wird uns über
das Wesen desselben S. 160 gesagt: „Das Amt entspringt aus der Gemeinde,
dies jedoch nicht im 'modern demokratischen Sinne, sondern kraft der cheris-
matischen Gliederung der Gemeinde. Der Amtsträger ist der Gemeinde von
Gott gegeben, nämlich durch die Geistesbegabung (für das Amt der Pro-
phetie und der Lehre), ihre Sache ist es, die göttliche Begabung anzu-
erkennen u. s. w.* Sollte das wörtlich die Rechtsstellung des heutigen
evangelischen Pfarrers sein? Nach dem richtig verstandenen SoHMm wird diese
ja gerade auf einem Bruch mit der cherismatischen Ordnung beruhen.
Dann folgt: „Die Vollmacht des Amtes als potestas ordinss“, unter
welcher Ueberschrift aber eigentlich mehr von potestas jurisdietionis die
Rede ist, um zu sagen, dass auch diese eigentlich nicht mit dem Pfarramte
verbunden ist.
Die Ordination (S. 177ff.) ist erst Zeugniss der Berufung zum Amt,
dann wieder selbst Vollmacht zur Verrichtung pfarramtlicher Handlungen.
Als solche soll sie „gewohnheitsrechtlich* auch nach dem Ausscheiden aus
dem Amte fortwirken (S. 181), also nach dem Erlöschen der eigentlichen
Vollmacht. Die Fähigkeit, einen Pfarrer mit dessen Einwilligung in einem
Amtsgeschäfte zu vertreten, wird aber viel einfacher aus dem Begriff des
Zeugnisses zu erklären sein, den man nur festhalten muss.
Unter der Ueberschrift „Verpflichtung auf Schrift und Bekenntniss“
(S. 183ff.) wären wir sehr begierig gewesen, aus der Praxis heraus ein Wort
darüber zu hören, inwiefern in dieser Beziehung rechtliche Schranken und
Gebundenheiten wirksam werden mögen. Aber wo das Recht anfängt, hört
der Verf. auf. Er begnügt sich mit dem Satze, dass das niemals zu einem
„in juristischer Weise zu handhabendem Lehrgesetze* werden kann. Als ob