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nur Einrichtungen und Organe des Reiches ohne staatlichen
Charakter; die Rechtsstellung der deutschen Territorien, soweit
dieselben zum alten Deutschen Reiche gehörten, ist von der
vorübergehenden Souveränität infolge der Erneuerung des Reiches
zurückgebildet und umgebildet auf die Landeshoheit.*“ Das
Deutsche Reich ist also kein Bundesstaat, sondern ein dezentrali-
sierter Einheitsstaat, ein dem Einheitsstaate gleichartiges Staats-
wesen, dem gegenüber seine Mitglieder, einschliesslich der Ein-
zelnstaaten, keine jura singulorum haben können. Die Monarchie
im Sinne eines festen wissenschaftlichen Begriffes — Vereinigung
der gesamten Staatsgewalt in dem Oberbaupte des Staates — ist
(nach Häxer) in Deutschland, allen verdunkelnden Redensarten
zum Trotz, nur darstellbar im Kaisertum und nirgends
sonst. An den verfassungsmässigen Attributen des Kaisertums
allein entscheidet es sich, ob die Monarchie in Deutschland be-
steht oder nicht. — Diese letztere Frage hat HÄneL noch nicht
ausdrücklich bejaht; er hält jedoch an seiner Auffassung fest,
dass als ein dem Einzelnstaate Preussen bezüglich der Bildung der
Reichs-Hauptorgane zugeschriebenes besonderes Recht die Per-
sonalunion des preussischen Königtums mit dem deutschen
Kaisertum zu gelten habe.
Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass diese Konstruk-
tion in erster Linie der CALHOUN-SEYDELschen Lehre, welche
das Deutsche Reich als einen staatsrechtlichen Staatenbund, dessen
Bestand durch das Verfassungsrecht der verbündeten, souveränen
Staaten, nicht durch internationale Verträge gesichert sei, be-
zeichnet, absolut entgegensteht, wie sie auch der LaBanDschen
vermittelnden Ansicht, welche, um die Staateneigenschaft der ein-
zelnen Bundesglieder zu retten, die Souveränität als essentielles
Merkmal des Staates preisgiebt, nicht entspricht.
Die Regierungen haben seit Gründung des Reiches unver-
änderlich, die unitarischen Tendenzen bekämpfend, die entgegen-
gesetzte Auffassung vertreten und befolgt; speziell die wieder-