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Im Interesse der Sache ist es sicher sehr zu bedauern, dass
die Enquete sich mit diesen so wichtigen Fragen nicht befasste.
Dass dieselben auch nicht im Schoosse der Anwaltschaft angeregt
wurden, mag mit dem pekuniären Nutzen, der daraus für die
Rechtsanwälte erwächst, zusammenhängen. Nichts destoweniger
muss deren Reguliruug über kurz oder lang erfolgen, da weder
die gesunde Entwickelung des Anwaltstandes, noch das mündliche
Verfahren die Verbindung der Rechtsanwaltschaft mit den Funk-
tionen eines Notars und die Betreibung von Handels- und
Agenturgeschäften durch Rechtsanwälte ebensowenig wie die
Uebergriffe der „Winkelkonsulenten“ auf den Prozessbetrieb durch
jene auf die Dauer zu ertragen vermag. Trotzdem können diese
Fragen bei der Untersuchung, welche sich ausschliesslich
auf die Enquete zu erstrecken hat, hier nicht eingehend
besprochen werden‘. Nur am Schlusse dieser Abhandlung sollen
sie noch einmal kurz erwähnt werden.
C. Die Prüfung der Vorschläge.
I. Die Ausgangspunkte.
1. Im Allgemeinen.
Um zu einer richtigen Würdigung dieser Vorschläge zu ge-
langen, erscheint es geboten, die Rechtsanwaltschaft in ihre
Elemente zu zerlegen, und diese sowohl für sich allein, als
auch in ihrer Zusammensetzung einer kurzen Betrachtung zu
unterziehen. Unsere Rechtsanwaltschaft setzt sich, soferne ihre
prozessuale Thätigkeit in Betracht kommt, aus der Advokatur
und der Prokuratur zusammen. In England, Frankreich und
* Vgl. darüber von WEIRIcH, Zur Reform der deutschen Rechtsanwalt-
schaft nebst Anhang, enthaltend einige Bemerkungen über Armenrecht und
Gebührenwesen. Strassburg 1891, S. 10ff., 21ff., S1ff. 68 und 107ff., cf. dort
auch Literaturangaben. Beizufügen ist noch: WeIsLER, Die Zukunft des
deutschen Notariats in der deutschen Notariatszeitung 1890, 8. 180ff.