Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

— 323 — 
Dass man aber auch damals noch nicht an die Entfaltung 
eines Reichsbehördenorganismus unter völliger Trennung vom 
preussischen Ministerium dachte, das zeigte sich in allen Reichs- 
verwaltungszweigen. Das ergiebt sich u. a. aus den Darlegungen 
des Kanzlers über das „von Haus aus in Geltung gewesene System 
der Reichskriegsverwaltung“®; denn der Kanzler liess mit 
Genehmigung des Kaisers Berichte und Entwürfe zu Ordres der 
Heeres- und Marine-Verwaltung auch vom preussischen Kriegs- 
minister mitunterzeichnen?, obwohl der Kanzler schon am 28. Sep- 
tember 1867 geäussert hatte: „Ich gebe hiemit die vermisste Er- 
klärung ab, dass ich den Bundeskanzler auch für die Kriegs- und 
Marine-Verwaltung des Bundes dem Reichstage wie dem Bunde 
gegenüber für verantwortlich ansehe, solange die jetzige Bundes- 
verfassung besteht.“ Es ist also nicht — wie BORNHAK und 
FiscHEr!° annehmen — erst durch die Einfügung des Kaisertitels 
in die Reichsverfassung die Gegenzeichnung des Kanzlers für die 
Heeres- und Marine-Verwaltung (abgesehen von den militärischen 
Befehlen als Ausfluss der Kommandogewalt) notwendig geworden. 
Denn die Regierungen hatten, wie oben erwähnt, in der ursprüng- 
lichen Scheidung zwischen Präsidium, Bundesfeldherrn und König 
von Preussen innerhalb der Bundesverfassung unter Zustimmung 
des Reichstages keine staatsrechtliche Bedeutung — wie BORNHAK 
und FiscHER u.a. — gefunden. Ganz abgesehen davon, dass 
infolge der bayerischen Sonderstellung eine einheitliche zentrale 
Heeresverwaltung durch den Kaiser und Kanzler nicht organisiert 
werden kann, hat auch auf dem verbleibenden Gebiete der Militär- 
verwaltung der Reichskanzler nicht die durchgreifende Selbständig- 
° Verhandlungen des deutschen Reichstags, II. Bd., Sten. Ber. S. 348. 
° SEYDEL, Kommentar zur Reichsverfassung 1878, S. 126 nennt diese 
Unterzeichnung mit Recht nicht verfassungsmässig ; bei Gesetzesvorlagen da- 
gegen genügt die Gegenzeichnung des preussischen Kriegsministers, während 
jene des Reichskanzlers nieht zulässig ist. 
10 BornHak, Rechte des Kaisers, Archiv f. öff. Recht, Bd. VII S. 423ff., 
Fischer, RıoHnarn, Das Recht des deutschen Kaisers, Berlin 1895.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.