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Man wird annehmen müssen, dass auch der nach dem Ge-
setze vom 17. März 1878 vom Kaiser ernannte Generalstellvertreter
des Reichskanzlers preussischer Bevollmächtigter zum Bundesrat
sein muss; für die Spezialvertreter des Reichskanzlers lässt sich
das nicht direkt aus der Verfassung ableiten ®®.
Andererseits besteht in der Theorie Uebereinstimmung®®,
dass aus der Reichsverfassung die Zugehörigkeit des Reichskanzlers
zum preussischen Ministerium ebensowenig zu folgern sei wie die
Notwendigkeit, dass die anderen Bundesratsbevollmächtigten Mi-
nister oder überhaupt Beamte der Einzelnstaaten oder?° Preussens
seien; LABAND (a. a. O. S. 241) leitet weiterhin aus dem Vor-
sitz des Reichskanzlers im Bundesrate ab, dass er die preussi-
schen Stimmen, welche nach der Verfassung nur einheitlich ab-
gegeben werden können, führe, d. i. abgebe?!. Dass die Beziehung
des Reichskanzlers zum preussischen Ministerium formell in der
Verfassung nicht weiter festgesetzt ist, hat zu verschiedenartigen
Versuchen einer organischen Verbindung geführt, zu welcher die
Bedürfnisse der Praxis drängten. Stets hat es sich als notwendig
erwiesen, dass der Reichskanzler zugleich wenigstens preussischer
Minister der auswärtigen Angelegenheiten ist, da diesem nach der
preussischen Ministerialverfassung®? ressortmässig die Instruierung
der Bundesratsbevollmächtigten und die Geschäftsvermittelung
zwischen Preussen und dem Reiche zusteht, überdies auch die
auswärtigen Angelegenheiten Preussens vom Reiche wahrzunehmen
sind. Zweimal ist das preussische Ministerpräsidium vom Reichs-
* Vgl. auch Hänker 8. a. O. II S. 58.
® Vgl. auch Häneu a. a. O. II S. 59; Lasann I 8. 385. Dagegen
Preuss, 8. 446.
s° Die Gleichstellung Preussens mit den übrigen Staaten halte ich im
Hinblick auf Art. 11 der Reichsverfassung für verfehlt.
#1 Webereinstimmend SEYpEL a. a. O. S. 121, Häner a. a. O. I1.T. S. 59,
#2 STENGEL, Staatsrecht des Königreichs Preussen (Handbuch des öffent-
lichen Rechtes II, 8) 1894, S. 94 u. 99; Brıx, Artikel „Staatsministerium“ in
STENGEL, Handwörterbuch des deutschen Verwaltungsrechtes, Bd. II 8. 489.