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BERG (1810—1822), eine materielle Aufsichtsbefugnis
gegenüber den Ressortministern eingeräumt oder es
muss — und das wäre mit Rücksicht auf den enormen Umfang
der Geschäfte richtiger — unter voller Aufhebung der Minister-
präsidentschaft, dem Staatsministerium das Recht zu-
gebilligt werden, in bestimmten Fällen Beschlüsse mit
bindender Kraft für die einzelnen Ressortminister zu
fassen. Ohne diese preussische Organisationsänderung würde
auch ein Satz der Reichsverfassung, dass der Kanzler preussischer
Ministerpräsident sein müsse, kaum mehr als die von HÄnEL
(Studien II S. 59) hervorgehobenen negativen Wirkungen äussern.
Ersatz für diese mangelnde organische Verbindung und Stärkung
des kanzlerischen Einflusses im preussischen Ministerium hat man
u. a. in der Uebertragung des preussischen Vizepräsidiums an den
Generalstellvertreter des Reichskanzlers, in der Einreihung von
Vorständen der Reichsbehörden (Spezialvertretern des Kanzlers)
in das preussische Ministerium — wenn auch ohne Portefeuille —
gesucht. Die Mangelhaftigkeit dieses Hilfsmittels ist jüngst auch
weiteren Kreisen durch die unbestrittene Mittheilung, dass der
Generalstellvertreter des Reichskanzlers im preussischen Ministe-
rium (trotz 8 3 des Stellvertretungsgesetzes) gegen den Reichs-
kanzler votiert hat, klar geworden.
So entwickelt sich mit zwingender Notwendigkeit aus dem
Axiom des Zusammenschlusses zwischen Reich und Preussen in
der Exekutive die organische Verbindung des Reichskanzlers mit
der preussischen Regierung; diese Verbindung ist aber insbeson-
dere auch unentbehrlich, um die Reichsexekutive in die notwendige
Verbindung zu setzen mit der Reichsgesetzgebung. Denn auf
diesem Gebiete hat die Reichsverfassung, wie erwähnt, weder
dem Kaiser noch dem Kanzler als Minister des Kaisers ein mate-
rielles Mitwirkungsrecht eingeräumt. Soweit der Kanzler an der
Gesetzgebung materiell mitwirkt, ist er zur Mitwirkung nur be-
rechtigt als preussischer Bevollmächtigter und nur nach Mass-