Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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haft geworden, ob ich überhaupt reichskanzlerische Angelegen- 
heiten hier einzubringen habe“. 
Hieran reihte sich seine Auseinandersetzung, dass der Reichs- 
kanzler allerdings auf Aufforderung einer der gesetzgebenden 
Körperschaften selbst verpflichtet sei, als Exekutivbeamter der- 
selben bei ihren gesetzgeberischen Aufgaben behilflich zu sein. 
Am unzweideutigsten erhellt die thatsächliche Uebung des 
Reichskanzlers aus seiner Erklärung vom 13. März 1877: „Ein 
für allemal stelle ich hier fest, dass ich Vorlagen, über die ich 
nicht der Zustimmung des preussischen Ministeriums sicher bin, 
wenn sie nicht auf Verfügungen des Bundesrates beruhen oder 
auf Requisition des Reichstages, überhaupt nicht einbringe, und 
in dem Falle doch auch nicht, ohne dass ich mich vorher im 
preussischen Ministerium versichert habe, dass die preussische 
Stimme nicht gegen mich sein wird. Wie sollte ich mich dem 
aussetzen, dass ich nachher als preussischer Ministerpräsident in 
die Lage komme, dass mein Ministerium mich bei der Abstimmung 
ım Stiche lässt und ich genötigt werde, ex concluso collegii gegen 
ddas zu stimmen, was ich selbst eingebracht habe. Das ist un- 
möglich.“ — 
Mit diesen klaren Ausführungen stimmen die späteren Er- 
klärungen** über den missbräuchlichen Gebrauch des Wortes 
Reichsregierung u. s. w., über die staatsrechtliche Unrichtigkeit 
45 Deutscher Reichstag, Kor, Reden, Bd. VII 8.58: Hiezu über die Mit- 
wirkung des preussischen Finanzministers: „Der Hauptirrtum ist der, dass der 
Vorredner annimmt, der preussische Finanzminister würde jetzt nicht gefragt 
über die Vorlagen, die das Reich macht. Wie kann ich denn als Reichs- 
kanzler im Bundesrat einen Gesetzentwurf oder irgend ein Substrat einer 
Abstimmung einbringen, wenn ich nicht vorher sicher bin, dass die preussi- 
sche Stimme auch für mich sein wird. Ich werde nie ein Budget einbringen 
können, für das die preussische Stimme nicht gewonnen ist, und die preussi- 
sche Stimme wird in Budgetsachen nie gegen den Finanzminister abgegeben 
werden.“ 
4 Kon, Reden, Bd. VII S. 113, 172, 404, Bd. X S. 89 u, 91. 
Archiv für öffentliches Recht. XI. 3. 93
	        
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