Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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voll wirken und das kann sie nicht, wenn, wie behauptet, der 
Reichskanzler in der Gesetzesgebung dass preussische Ministerium 
vollständig verdrängen könnte. Diese Verdrängung wäre aber, wie 
dargelegt, die einfache Folge der Einräumung einer selbständigen 
Gesetzesinitiative. — 
Die dargelegten Beziehungen zwischen dem Reichskanzler 
und dem preussischen Ministerium haben zwar in der Reichsver- 
fassung keine organische Durchbildung erhalten, aber zur Durch- 
führung der Aufgaben des Reiches unter Aufrechterhaltung seiner 
organisatorischen Grundlagen sowie zur Verwirklichung des Art. 11 
der Reichsverfassung ist u. E. eine staatsrechtliche Verbin- 
dung zwischen Kanzler und dem preussischen Ministerium not- 
wendig. Diese Verbindung ist — wenn sie auch in der Reichs- 
verfassung nicht ausdrücklich angeordnet ist — als ein Verfas- 
sungsgrundsatz zu bezeichnen, da ihre Aufhebung thatsächlich 
zur Aenderung des staatsrechtlichen Charakters des Reiches führen 
muss. Der Reichskanzler muss die getrennten (Gewalten von 
Präsidium und Bundesrat vereinigen; das kann er nur, wenn er 
zugleich preussischer Minister ist. 
Mit diesen Erörterungen wollten wir auch beweisen, dass die 
Hänetsche Annahme einer Personalunion zwischen Kaiser- 
tum und preussischem Königtum ebenso unrichtig ist, wie die von 
uns schon früher? bekämpfte Schlussfolgerung v. MArTITZ’ und 
H. ScHnuLzes, dass eine bleibende Realunion zwischen „beiden 
Kronen“ stattfinde. Die Hänetsche Annahme widerspricht übri- 
gens auch seinen eigenen Schlussfolgerungen. Denn unter „Per- 
sonalunion* hat man bisher „die unter dem Vorbehalte der Lös- 
barkeit geschlossene Verbindung mehrerer Staaten unter der 
Person eines und desselben Herrschers“ (vorübergehende Union) 
— wie z. B. früher Holland-Luxemburg — verstanden; HÄNEL 
erkennt jedoch nur dem Reiche, nicht aber dem Königreiche 
52 Archiv f, öff. Recht Bd. VI S. 573.
	        
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