— 388 0 —
kum und die Wissenschaft überwiegend vom Standpunkt dieser
allgemeinen Rechtsanschauung beurteilt. Ihre praktische Lösung
haben sie bekanntlich dahin gefunden, dass durch die Liquidations-
klausel von 1885 die Staaten des lateinischen Münzbundes sich
für den Fall der Auflösung des Bundes teilweise zur direkten Ein-
lösung ihrer Fünffrankenthaler in Gold verpflichteten, und dass sie
für den Rest eine kommerzielle Rückleitung gestatteten — eine
Lösung, welche vollständig dem allgemeinen Rechtsbewusstsein
entspricht, dass kein Staat sein Gepräge verleugnen dürfe. Be-
züglich der österreichischen Thaler ist ein Kompromiss zwischen
dieser Rechtsanschauung und — man kann eigentlich nicht sagen
einer anderen Rechtsanschauung, denn eine solche war im Grunde
genommen nicht vorhanden oder wurde wenigstens bei den be-
treffenden Verhandlungen meines Wissens nicht vertreten —, son-.
dern es ist ein Kompromiss zwischen der allgemeinen Rechts-
anschauung und Erwägungen, welche nicht dem juristischen Gebiet
angehören, zustande gekommen.
Zur Zeit, als zwischen Deutschland und Oesterreich die Ver-
handlungen über die Einlösung der österreichischen Thaler be-
gannen (im Spätjahr 1891), hat bereits LANDESBERGER in DORNS
„Volkswirtschaftlicher Wochenschrift“ (vom 19. Nov. 1891) einen
Aufsatz veröffentlicht, in welchem er die allgemeine Rechts-
anschauung als eine unzutreffende bekämpft. Er meinte, dass
„das allgemeine Rechtsbewusstsein wegen der Kürze der Zeit noch
nicht Gelegenheit gefunden habe, sich mit den höchst eigentüm-
lichen Rechtsfragen der sinkenden Währung vertraut zu machen“.
Er bestritt, dass Oesterreich zur Einlösung seiner Thaler zu ihrem
gesetzlichen österreichischen Geldwert von 1!/ fl. pro Stück: ver-
pflichtet sei, mit der Motivierung, dass Oesterreich diese Thaler
als vollwertiges Geld ausgemünzt habe, und zwar zum grössten
Teil auf Privatrechnung. „Ein Staat nun, der vollwertige
Kurantmünzen ausprägt, setzt überhaupt keine rechtsgeschäftliche
Handlung, leistet keine Unterschrift — am wenigsten aber voll-