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Die strafrechtliche Bekämpfung von Bettel, Landstreicherei
und Arbeitsscheu von Professor Dr. v. Hippel. Berlin, Otto Lieb-
mann, 1895.
Die Schrift gipfelt in den die Materie betreffenden Reformvorschlägen
des Verfassers. Als Grundlage für seine Untersuchungen hat er eine um-
fassende Darstellung des gesammten einschlägigen Rechtszustandes gegeben
und indem er denselben kritisch beleuchtet, in dem ersten Theil seiner
Schrift einen Kommentar geliefert, der für Gerichte, polizeiliche und Voll-
streckungsorgane gleich werthvoll ist. Einen grossen Theil des verwendeten
Materials hat der Verfasser durch unmittelbar eingeholte Auskunft der
Ministerien, Polizeibehörden, Arbeitshausvorstände sich selbst verschafft und
durch die Veröffentlichung der Allgemeinheit zum ersten Male zugänglich
gemacht.
Wie statistisch nachgewiesen wird, zeichnet das Verfahren der Gerichte
bei Verwerthung der im $ 362 des R.-Str.-G.-B. zugelassenen Ueberweisung an
die Landespolizeibehörde sich durch Ungleichmässigkeit und Principlosigkeit
aus. Die Gründe dafür sind theils processualer Natur, indem durch & 453
der R.-Str.-Pr.-O. — Zulässigkeit polizeilicher Strafverfügung — eine erheb-
liche Anzahl der in Betracht kommenden Fälle der richterlichen Cognition
entzogen werden; theils liegen sie in dem summarischen, oft nicht einmal
auf erschöpfende Feststellung der Vorstrafen bedachten Verfahren der Ge-
richte. Die hauptsächlichste Verantwortung trifft aber das materielle Recht,
welches mit seiner, überall zulässigen, niemals nothwendigen Ueberweisung
dem Richter die nöthigen Directiven vorenthält. Angesichts dieses Mangels
erwächst dem Richter die Aufgabe logischerer Gesetzesauslegung und gleich-
mässiger Rechtsübung. Dafür aber kann es keine bessere Handhabe geben,
als einen Kommentar, der wie das v. Hırpen’sche Buch zu festen Begriffen
sich durchringt, die Widersprüche und Ungleichheiten in der Rechtsprechung
aufdeckt und ihre Ursachen ergründet.
Wie das richterliche Verfahren bietet auch das der Polizeibehörden
ein Bild bunter principloser Mannigfaltigkeit sowohl, was die Anordnung
der Einsperrung in’s Arbeitshaus — von der Verwendung zu gemeinnützigen
Arbeiten wird als undurchführbar nennenswerther Gebrauch nicht gemacht,
— als auch, was die Vollstreckung der Nachhaft anbelangt. Auch der Bundes-
rathsbeschluss vom 26. Juni 1889 hat keine Abhilfe geschaffen. Heutzutage
verlässt der Richter sich auf die bessere Kenntniss der Polizeibehörde; diese
erachtet sich der Prüfung überhoben, nachdem der Richter die Ueberweisung
für zulässig erklärt hat, und sperrt, wie jener Beschluss es vorschreibt, jeden
Ueberwiesenen in’s Arbeitshaus ein.
Ein solcher Umstand ist unhaltbar.
Das wirksamste Mittel zur Bekämpfung unserer Delikte findet der Ver-
fasser in der Ausnutzung der Correctionshaft, deren Bedeutung als Ab-
schreckungs- und Besserungsmittel, sowie als Mittel zur Unschädlichmachung