Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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Gegenteil mächtig zur Reform des Strafrechts und über dieselbe hinaus zur 
Reform unserer sozialen Zustände beitragen werde. 
Die beiden genannten Wissenschaften, oder die nene Wissenschaft, wie 
er sie zusammen gelegentlich nennt, ist so für ihn nicht sich selbst Zweck, 
sondern bloss Mittel zum Zweck, und sein Buch, in dem er sie behandelt, 
desgleichen. Es ist keine biosse‘ akademische Abhandlung; es strebt im 
Gegenteil sehr ernste, sachliche Ziele an, indem es wie alle Handlungen des 
Menschen überhaupt, so auch seine Verbrechen im besonderen aus seiner je- 
weiligen Natur, seiner Naturbestimmtheit, seinem Naturell, ableitet. Das Ver- 
brechen istihm, KURELLA, so ein Naturvorgang, der wie alle Naturvorgänge mit 
Notwendigkeit aus den gegebenen Naturbedingungen folgt. Der Verbrecher 
wird ihm darum auch geboren. Die kleinen Einschränkungen, die er macht, 
bestätigen das nur. Es giebt für ihn geradezu Verbrechernaturen auf Grund 
einer angeborenen Disposition zum Verbrechen, und das ist ihm um so ge- 
wisser, als diese Disposition manche Zeichen hat, sowohl nicht durch Krank- 
heiten bedingte körperliche Eigentümlichkeiten, als auch von den Symptomen 
geistiger Erkrankungen verschiedene Fundamentaleigenschaften des Charakters 
und Gefühlslebens, deren Kenntnis begreifen lässt, wie ihre Träger Ver- 
brecher, wenn auch vielleicht bloss unentdeckte, werden müssen und nichts 
anderes. 
KvreııA huldigt deshalb auch dem Determinismus und verlangt, dass 
die Kriminalpsychologie, wie die Psychologie überhaupt, auch im Willens- 
leben das Kausalgesetz voraussetze. 
Ich kann dem allen im Ganzen nur beistimmen und thue das um so 
lieber, als ich ihm auch schon vor Jahren in meinem Lehrbuch der Psy- 
chiatrie (Wien, Leipzig 1883), in meinem Buche „Die Neurasthenie“ (Wien 
und Leipzig 1885) Ausdruck verliehen habe und meine Gutachten vor Gericht 
seit Jahr und Tag danach einrichte. 
Kureııa hat sein Buch dem Verbrecher gewidmet; was ein Verbrecher 
ist, und was diesen dazu macht, das Verbrechen, hat er indessen nicht be- 
stimmt; und doch wäre das gerade von dem eingenommenen naturwissen- 
schaftlichen Standpunkte aus notwendig gewesen. Dagegen hat KurELLA 
den Verbrecher im grossen Ganzen sehr zutreffend charakterisiert. Er schil- 
dert ihn als eine geistesschwache, mit allerhand Fehlern und Mängeln be- 
haftete Persönlichkeit, über welche das Ich und der Augenblick die 
souveräne Herrschaft ausübt. Der Verbrecher ist somit, und das 
unterschreibe ich, eine mehr oder weniger schwachsinnige, zu im- 
pulsiven Handlungen geneigte Persönlichkeit, und das Ver- 
brechen ist eine entsprechende, gegen die Ordnung und den 
Bestand der Gesellschaft gerichtete Handlung, welcher jene 
Persönlichkeit angehört oder mit welcher sie gerade zu thun 
hat. Der Verbrecher ist demnach eine krankhafte und vorzugsweise in 
geistiger Beziehung krankhafte Persönlichkeit, und das oder die Verbrechen
	        
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