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für die Zwecke der Berufsausübung??. Die Thätigkeit des
Rechtsanwaltes als Berather der Parteien und im Prozess ist ein
nobile officium, für welches diese nur deshalb Gebühren schulden,
weil jener sonst überhaupt nicht in der Lage wäre, ihnen seine
Dienste zu leihen. Während das Honorar des Advokaten von
diesem nicht eingefordert werden kann und dasselbe in den meisten
Fällen der Prokurator mit seinen Gebühren von der Partei er-
hebt, muss der Rechtsanwalt, der beide Funktionen in sich ver-
einigt, diese zu erzwingen in der Lage sein.
III. Nun ist allerdings die Thatsache nicht zu bestreiten,
dass die Prokuratur wegen ihres Formalismus und wegen der in
ihr liegenden Verlockung zu unredlichem Handeln (PrıscHL) nach-
theilige Einwirkungen auf den Charakter auszuüben im Stande ist.
Die höhere wissenschaftliche Bildung des deutschen Rechts-
anwaltes verhütet zwar, dass dieser auf die Stufe des Solicitors
(ATTORNEY’S) oder Avou& herabgedrückt werde, gewährt aber
trotzdem kein genügendes Gegengewicht gegen unlautere Ein-
flüsse®, Dazu kommt, dass die Prokuratorengeschäfte Zeit und
Kraft des Rechtsanwaltes in einer Weise in Anspruch nehmen,
dass das Studium der Sachen darunter leidet. Wie ScHLINK ],
S. 133 mit Recht bemerkt, geht der Advokat unter dem Pro-
kurator zu Grunde. Die weitere Folge davon ist, dass der
deutsche Rechtsanwalt weder beim Publikum noch bei der juri-
stischen Beamtenwelt auch nicht annähernd das Ansehen geniesst,
wie in England der Barrister und in Frankreich der avocat
und auf die Rechteentwickelung absolut keinen Einfluss besitzt,
während die französischen Advokaten, wie mir jeder Kenner des
französischen Rechtes bestätigen wird, in der französischen Rechts-
wissenschaft eine führende Rolle einnehmen, woraus sich freilich auch
92 LÖWENFELD a. a. 0. S. 891.
3 Vgl. hierzu: Die Entscheidungen des Ehrengerichtshofs für deutsche
Rechtsanwälte. Herausgegeben vom Schriftführeramte des deutschen An-
waltsvereins. 6 Bände. Berlin 1880—1894.