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ihr rhetorischer Charakter erklärt. Nun liegt es nicht nur im Interesse
der Rechtspflege, sondern auch unseres gesammten öffentlichen
Lebens, dass die Rechtsanwaltschaft eine angesehene Stel-
iung einnehme.
Aus dem vorerwähnten Grunde ist die Trennung beider Thätig-
keiten für wichtige Prozesse, namentlich für schwierige Rechts-
fragen, allerdings von Werth, während sie für einfachere Sachen —
und dies ist die grössere Zahl — völlig zwecklos erscheint. Es
wirft sich daher die Frage auf, ob nicht für wichtigere Sachen
es möglich sei, deren Bearbeitung Männern zu übertragen, welche
mit der Prokuratur sich nur wenig zu befassen haben. Durch
die strikte Durchführung des Lokalisierungsprinzipes wird
dies, ohne dass es einer Trennung beider Thätigkeiten bedarf,
wenigstens für die Rechtsmittelinstanz möglich sein und es
auf diesem Wege gelingen, die Rechtsanwaltschaft auf eine höhere
Stufe zu heben, worauf ich im zweiten Theil dieses Abschnittes
sub4 zurückkommen werde. Ausserdem ist die Lokalisierung auch
noch deshalb von Bedeutung, weil sie eine bessere Schulung
der gesammten Rechtsanwaltschaft ermöglicht, wovon sub II 3
die Rede sein wird’.
II. Im Einzelnen.
1. Der numerus celausus.
Die Einführung desselben ist auch in der mildesten Form
nicht angängig. Die Freiheit der Advokatur ist durch unser
konstitutionelles Staatsleben geboten?®”. Die Bedürfnissfrage nach
Anwälten lässt sich ferner im Voraus nicht bestimmen und würde
die Wiedereinführung des numerus clausus, nachdem die freie
Advokatur bereits 15 Jahre bestanden hat, zu den grössten Un-
gerechtigkeiten führen.
Die freie Advokatur ergiebt sich aus der Aufgabe der
°%* Vgl. darüber auch v. WeEmrich, Reform 8. 80ff.
°»5 JaquEs a.a. 0. S. 88,