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Die von englischen Gerichten angeordneten Beweis-
aufnahmen im Deutschen Reiche.
Von
Dr. ©. H. P. InHüLsen, London.
Eine Beweisaufnahme hat zu Folge des $ 320 der deutschen
Reichscivilprozessordnung vor dem Prozessgerichte stattzüfinden,
soweit nicht das Gesetz selbst gestattet, dass ein Mitglied des
Prozessgerichtes oder ein anderes Gericht substituirt wird. Im
Vergleich mit den bezüglichen, englischen Prozessvorschriften,
welche weiter unten ausführlich erwähnt werden sollen, hat die
deutsche Reichscivilprozessordnung derartige Substituirungen in
höchst liberaler Weise zugelassen, ein Umstand, welcher den Schluss
nahe legt, dass die englischen und deutschen Ansichten über eine
Beweisaufnahme varüren. Die deutsche Reichscivilprozessordnung
($ 340 Ziff. 4) gestattet die Uebertragung einer Beweisaufnahme
an ein anderes Gericht insbesondere dann, wenn der Zeuge sich
in grosser Entfernung vom Sitze des deutschen Prozessgerichts
aufhält. Der Begriff „grosse Entfernung“ scheint in der deut-
schen Praxis sehr liberal interpretirt zu werden. Die Distanz
zwischen Halle und Leipzig ist z. B. als eine derartige grosse
Entfernung angesehen worden. Es darf daher wohl, wenn man
von exceptionellen Verhältnissen absieht, angenommen werden,
dass es nicht besonders schwer fallen wird, bei einem deutschen