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Sollen ausländische Strafurtheile vollstreckt werden?
Von
Landrichter Dr. DeLius in Cottbus.
In der Praxis des geltenden Völkerrechts ist allgemein an-
erkannt der Grundsatz, dass ein Staat fremde strafgerichtliche
Urtheile, auch die nur auf Geldstrafe lautenden, überhaupt nicht
vollstreckt!. Derselbe ist im $ 36 Abs. 3 des österreichischen
St.-G.-B. vom 27. Mai 1852 sogar gesetzlich fixirt; dort heisst
es: „In keinem Falle sind Urtheile ausländischer Strafbehörden
im Inlande zu vollziehen.“ Gileichlautende Vorschriften enthalten
& 18 des ungarischen und $& 72 des bosnischen St.-G.-B.; dem-
entsprechend ist denn auch das Ersuchen eines preussischen Ge-
richts um Beitreibung einer wegen Gewerbepolizeikontravention
auferlegten Geldstrafe in Oesterreich abgelehnt (vgl. Erlass des
österreichischen Justizministers vom 2. Aug. 1872 bei GRANICH-
STÄDTEN, Internationaler Strafrechtsverkehr 1892, 8. 24). Auch
der preussische Justizminister bezeugt, dass thatsächlich zur Voll-
streckung von Urtheilen von keinem fremden Staate Rechtshülfe
geleistet werde (Just.-Min.-Bl. 1887 S. 139 fi.).
In früherer Zeit übergaben deutsche Binnenstaaten ihre
! Dieses Prinzip wird soweit ausgedehnt, dass selbst die Zustellung des
Strafurtheils oder einer Rechnung über die Kosten des ausländischen Straf-
verfahrens und Strafvollzuges abgelehnt wird, weil darin eine Mitwirkung bei
der Vollstreckung des Urtheils liege. (Vgl. DeLivs in der Zeitschr. f. die
ges. Strafrechtswissenschaft Bd. 16 S. 293.)