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nach dem das Strafrecht beherrschenden Prinzipe einer absoluten
materiellen Gerechtigkeit jeder Staat, ehe er strafe, in Gemässheit
der für ihn geltenden Grundsätze von der Strafbarkeit einer Hand-
lung sich überzeugen müsse, diese Weberzeugung aber nur durch
den Ausspruch der eigenen Gerichte erfolgen könne. Die Voll-
streckung eines fremdrichterlichen Strafurtheils würde voraussetzen,
dass dasselbe, auch soweit es in unserem Staate vollstreckt werden
soll, lediglich nach den Grundsätzen des fremden Staates zu be-
urtheilen wäre oder dass eine freiwillige Unterwerfung zulässig
erscheine, beides sei aber im Strafrechte ausgeschlossen.
LAMMASCH, a. a. O. S. 824, meint, dass ım letzten Grunde
die Beschränkung der Freiheit nur auf dem Willen jener Staats-
gewalt beruhen könne, durch deren Organe dieselbe vollzogen
werde. Ein Staat könne in die Freiheit der Individuen nur in-
soweit eingreifen, als Urtheiler, welche nach seiner Auffassung
hierzu berufen und welche ihm für die Richtigkeit ihres Urtheils
verantwortlich sind, dies für zulässig erklären. „Wer vermöchte
aber“, so führt er weiter aus, „die ausländischen Richter und Ge-
schworenen zur Rechenschaft zu ziehen, wenn sich nachträglich
herausstellen sollte, dass ihr vielleicht vollzogener Spruch auf
einem Missbrauche ihrer amtlichen Gewalt beruhte? Ein weiteres
Bedenken entsteht für jene Staaten, welche eine Wiederaufnahme
des rechtskräftig entschiedenen Strafverfahrens zulassen, dadurch,
dass sie bei dem ausländischen Gerichte eine solche Wiederauf-
nahme des Verfahrens nicht bewirken können.“
Alle diese Gründe dürften indess nicht stichhaltig sein. Nach
geltendem Auslieferungsrechte liefern die Kulturstaaten sich gegen-
seitig einen Verurtheilten aus und zwar lediglich auf Grund des
fremden Strafurtheils, ohne in eine Prüfung darüber einzutreten,
ob denn der Betreffende thatsächlich schuldig ist. Ja selbst in
England, den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Oester-
reich pflegt man bei rechtskräftig, nach kontradictorischem Ver-
fahren verurtheilten Personen von der sonst vorgeschriebenen