Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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bekannt zu sein. Ebenso wenig sind sie darüber informirt, ob 
vielleicht der ersuchende Staat bereits früher einmal eine gleiche 
Requisition seinerseits abgelehnt hat. Diese Fragen, insbesondere 
diejenige, ob Retorsion angewendet werden soll, werden daher 
zweckmässig von der Üentralbehörde entschieden. Hat übrigens 
das mit der Prüfung des Strafurtheils betraute Gericht dasselbe 
sei es bezüglich der Schuldfrage oder des Strafmasses beanstandet, 
so darf die Requisition nicht erledigt werden. Ein negativer 
Spruch bindet den Justizminister. Es ist nun weiter zu prüfen, 
ob die Vollstreckung des fremden Urtheils davon abhängig zu 
machen ist, dass die That auch nach dem Rechte des ersuchten 
Staates strafbar ist, dass also der erforderliche Strafantrag ge- 
stellt, noch keine Verjährung eingetreten ist u.s.w. Im Aus- 
lieferungsrecht ist dieser Grundsatz, der nach LammascH das 
Prinzip der identischen Norm genannt wird, allgemein anerkannt. 
Man wird daher auch hier denselben beibehalten müssen. Es 
kann einem Staate nicht zugemuthet werden, Strafen zu voll- 
strecken wegen Handlungen, welche er selbst gar nicht für straf- 
bar hält. Von diesem Prinzip muss naturgemäss dann eine Aus- 
nahme gemacht werden, wenn nach den besonderen Verhältnissen 
und der geographischen Lage des ersuchten Staates das betreffende 
Delikt dort gar nicht verübt werden kann. Binnenstaaten, wie 
Luxemburg und die Schweiz, werden Strafurtheile, welche wegen 
Seeraubs, Schifffahrtsdelikten u. s. w. erlassen sind, vollstrecken 
müssen, obwohl deren Strafgesetzbuch diese Delikte nicht kennt. 
In südlichen Ländern pflegt sich das Menschengeschlecht schneller 
zu entwickeln, als in kälteren Klimaten. Der geschlechtliche 
Missbrauch unreifer Mädchen ist in Spanien und Uruguay an die 
Altersgrenze von 12 Jahren geknüpft, während bei uns erst 
Straflosigkeit bei Ueberschreitung des 14. Lebensjahres eintritt. 
Der Auslieferungsvertrag des Deutschen Reiches mit Uruguay 
vom 12. Febr. 1880 (R.-G.-Bl. 1883, 8. 287) trifft in Art. I, 
Ziff. 13 dieserhalb ausdrückliche Bestimmung. Lammasch a. a. O.
	        
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