— 525 —
S. 827 hält es ffir äusserst schwierig, diese Fälle von jenen an-
deren abzugrenzen, in welchen die Straflosigkeit der am Orte der
Verübung strafbaren That im Staate der Betretung des Ver-
brechers nicht in der Verschiedenheit der äusseren Verhältnisse
jener beiden Staaten, sondern in der Verschiedenheit der ihnen
eigenthümlichen Anschauungen über Recht und Unrecht ihren
(Grund hat? Diese Befürchtung können wir indess nicht theilen.
Das mit der Nachprüfung des ausländischen Urtheils befasste,
mit rechtskundigen Richtern besetzte Gericht wird diese Ab-
grenzung ohne Schwierigkeit vorzunehmen in der Lage sein.
Verfehlt wäre es ‚ wenn man die Vollstreckungspflicht auf
diejenigen Delikte beschränken wollte, wegen welcher Auslieferung
gewährt werden muss. Nicht allein wegen Verbrechen oder Ver-
gehen, sondern auch wegen Uebertretungen muss Vollstreckung
in dem fremden Staate zulässig sein. Auszunehmen sind allein
die rein politischen Delikte und die Desertion® (Falınenflucht),
welcher man ja auch den Charakter eines politischen Deliktes
beimisst. Wegen dieser Delikte wird ja allgemein auch eine Aus-
lieferung nicht gewährt. Ob man auch rein religiöse und rein
fiskalische oder noch andere Delikte nach Analogie des Aus-
lieferungsrechtes ausnehmen will, diese Frage mag der Verein-
barung der betreffenden kontrahirenden Staaten überlassen bleiben.
Jedenfalls liegt es im gemeinsamen Interesse aller Kulturstaaten,
das Asyl möglichst einzuschränken.
Man könnte nun daran denken, das Prinzip der identischen
Norm bei Geldstrafen überhaupt fallen zu lassen. Vermögens-
strafen sind nicht so empfindlich, wie Freiheitsstrafen; ist ein
Fehler vorgekommen, dann lässt sich bei ersteren derselbe leicht
wieder gut machen. Da kann schliesslich der fremde Staat, so
argumentirt man, auch einmal vollstrecken, ohne dass er seiner-
5 Deserteurkartells bestehen zur Zeit nur noch einmal zwischen Preussen
und Dänemark (G.S. 1821 S. 33), sodann zwischen den deutschen Bundes-
staaten und Oesterreich-Ungarn (G.S, 1831 8. 41; 1832 S. 177 und 1864 S. 572).