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Uebrigens würden sich auch Rechtsanwälte aus Familien-
und anderen Rücksichten nach Ablauf der Wartezeit zum Bleiben
veranlasst sehen. Berlin und v. WıLmowskı schlagen deshalb
vor, den Amtsgerichtsanwälten nach Ablauf dieser ein Recht
auf Zulassung bei dem übergeordneten Landgerichte einzuräumen
(s. oben). Da jedoch die Amtsgerichtsanwälte unter so ausser-
ordentlich verschiedenen Verhältnissen wirken, so lässt sich eine
für alle Fälle giltige Regel, ob nach Ablauf der Wartefrist die
Simultanzulassung erfolgen soll, nicht aufstellen*’. Es kommt auf
die Grösse des Amtsgerichtsbezirks und der darin liegenden Ort-
schaften, die Wichtigkeit der vorkommenden Sachen, die Ent-
fernung vom Landgerichtssitze, dann ob die Rechtsanwaltschaft
mit dem Notariat verbunden ist und andere äussere Verhält-
nisse an.
VI. Auch wegen der Armensachen ist die Amtsgerichts-
anwaltschaft ein Bedürfniss#. (regenwärtig kann gewöhnlich an
Orten, an denen ein Kollegialgericht sich befindet, der Amts-
richter keinen Anwalt komittieren, da solche meist nur an dem
oberen Gerichte zugelassen werden. Besonders zeigt sich dieser
Mangel bei Alimentenklagen, wo das Amtsgericht ohne Rücksicht
auf den Werth des Streitgegenstandes zuständig ist und die fast
immer Armensachen sind.
VII. Von besonderer Bedeutung wäre aber das Vorhanden-
sein einer Amtsgerichtsanwaltschaft im Falle der Erweiterung
der amtsgerichtlichen Kompetenz auf Mk. 500. So sehr
diese auch im Interesse des Publikums liegt, so haben sich, so-
47 LÖWENSTEIN empfiehlt in der juristischen Wochenschrift 1894, S. 355
eine solche Simultanzulassung für Württemberg, wo viele betriebsame
Orte kein Landgericht besitzen und es für die dort wohnhafte Bevölkerung
wünschenswerth sei, Anwälte am Platze zu haben, die auch bei diesen Gre-
richten auftreten können, widerräth sie dagegen für Preussen wegen der
Verbindung mit dem Notariat und der dadurch bedingten grösseren Sess-
haftigkeit.
#8 v. Wırmowskiı, Zeitschr. f. d. C.-P. Bd. XX, S. 221.