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der lutherischen Kirche für die religiöse Erziehung von Kindern
aus gemischten Ehen folgende, im Laufe der Zeit zur Quelle
von Kontroversen gewordene landesherrliche Verordnung vom
27. Febr. 1826: „Wenn nicht in gültigen, vor Eingehung der
Ehe geschlossenen Eheverträgen etwas anderes über die religiöse
Erziehung der Kinder aus gemischter Ehe festgesetzt worden ist,
so sollen die Kinder, ohne Unterschied des Geschlechtes, der
Konfession des Vaters folgen.“ — Die Vorschrift beschränkt sich
auf gemischte Ehen. Für Kinder aus ungemischten Ehen, des-
gleichen für uneheliche Kinder und für Findelkinder, gelten die
Grundsätze des gemeinen Rechtes, das freie Entschliessungsrecht
der Eltern bezw. der Mutter.
Die ohne Zustimmung der Stände erlassene, als Gesetz des-
halb nach Art. 72 der Verfassungsurkunde zweifelhafte®, unzweck-
mässige, die Eintracht der Konfessionen nicht fördernde Ver-
ordnung suchte zuerst im Jahre 1862 ein Gesetzentwurf über die
Ausübung des Erziehungsrechts in Bezug auf die Religion der
Kinder zu beseitigen, dessen Wortlaut: Art. 1. Die Bestimmung
darüber, in welcher Religion die Kinder erzogen werden sollen,
steht bei ehelichen Kindern, denen die durch nachfolgende Ehe
legitimirten Kinder gleich zu achten sind, dem Vater zu. Wenn
er eine Bestimmung hierüber nicht getroffen hat, so folgen sie
der Religion des Vaters. Der Verzicht auf das Recht, die reli-
giöse Erziehung der Kinder zu bestimmen, ist nichtig, und Ver-
träge, welche hierüber abgeschlossen werden, haben keine Gültig-
keit. Art.2. Eine Aenderung in der religiösen Erziehung der
ehelichen Kinder steht der Mutter zu, wenn auf sie das Recht
der Erziehung übergegangen ist. Sie kann jedoch nur aus be-
sonders erheblichen Gründen eine solche Aenderung vornehmen,
wenn die Obervormundschaft nach Anhörung der nächsten Ver-
* S. Sönmipr, 1. c. S. 29, 30, 407Tf.
° 8. SCHMIDT, 1. c. 8.409. Verhandlungen der 1. Ständekammer vom
9. Dez. 1879, Prot. S. 196.