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Kindern aus sog. gemischten Ehen. Der Erlass dieser Verord-
nung und die Einführung gleichmässiger Bestimmungen für solche
Kinder sollten für die einzelnen Landestheile gleiches Recht
schaffen, die Parität zwischen den verschiedenen Konfessionen
herstellen, Dissidien während der Ehe, Proselitenmacherei von
Seiten der Geistlichen und Streitigkeiten vorbeugen. Die beiden
ersteren Zwecke wurden — wie die Motive zugeben — erreicht,
hinsichtlich der übrigen war eine Wirksamkeit nicht zu erkennen.
Zahlreiche Beweise über Versuche, die geltenden Bestimmungen
zu umgehen, lagen vor, vielfach entstanden peinliche Verhand-
lungen zwischen den Geistlichen der verschiedenen Konfessionen,
auch führte die strikte Anordnung der Verordnung bei Aende-
rung des übereinstimmenden Willens der Eltern zu grossen Härten,
deren Milderung durch Ertheilung von Dispensationen oft bedenk-
lich erschien. Der Gesetzentwurf suchte deshalb die veraltete
Verordnung, als Störerin des religiösen Friedens zu beseitigen
und auch die religiöse Erziehung der Kinder aus gemischten Ehen
in einer dem Prinzip der Gewissensfreiheit mehr entsprechenden
Weise zu normiren. Eine Unterscheidung zwischen Kindern aus
gemischten und nicht gemischten Ehen sollte zukünftig nicht mehr
bestehen, auch die Anomalie aufhören, dass, während den Eltern
gleichen Bekenntnisses das Recht zur Erziehung in jedem be-
liebigen Bekenntnisse zustand, den Eltern verschiedener Konfes-
sionen nicht einmal die Wahl zwischen der Konfession des Vaters
freistand.
Die Motive verweisen als Vorbilder für die neue Rechts-
bildung insbesondere auf das Badische Gesetz vom 9. Okt. 1860.
Hiernach bestimmt bei ehelichen Kindern der Vater, bei unehe-
lichen, sie seien vom Vater anerkannt oder nicht, die Mutter, in
welcher Religion sie erzogen werden sollen. Die Wahl des Er-
ziehungsberechtigten ist unbeschränkt und an keine Form ge-
bunden. Ist eine Bestimmung nicht getroffen, so folgen eheliche
Kinder der Religion des Vaters, uneheliche der Religion der