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weit bis jetzt bekannt wurde, die Mehrzahl der preussischen An-
waltskammern und das Organ des deutschen Anwaltvereins: „Die
juristische Wochenschrift**? dennoch dagegen erklärt. In der
That ist auch die geplante Neuerung für den Anwaltstand nach
seiner heutigen Organisation unannehmbar. Nach einer
ungefäbren Schätzung würde der Anwaltszwang in 30—40°/o der
Sachen — in ländlichen Bezirken sogar in über 40 °/o aufhören °°.
Wenn auch von diesen ein Theil noch durch Anwälte besorgt
würde, und manche in der Berufungsinstanz an das Landgericht
zurückkehrten, so würden doch die an dessen Sitz wohnhaften
eine ganz bedeutende Einbusse an ihren Einnahmen erleiden.
Denn ein grosser Theil der Sachen zwischen M. 300—500 käme
an die auswärtigen Amtsgerichte und die Zahl der durch Be-
rufung angegriffenen wäre eine zu geringe, um für den Ausfall
einen Ersatz zu gewähren. Den grössten Nutzen von der Sache
hätten die Winkelkonsulenten, indem sie dem Anwaltsstande in
noch stärkerem Masse Konkurrenz machen würden, als dies zu
dessen ethischem und wirthschaftlichem Nachtheil jetzt
schon geschieht. Man muss also bei der Kompetenzerweiterung
den Rechtsanwälten bei den Landgerichten eine Kompensation
bieten, die darin liege, dass sie in Folge der Errichtung von
Amtsgerichtsanwälten mehr landgerichtliche Prozesse erhielten.
VII. So sehr es sich auch empfiehlt, die Zulassung bei
einem Kollegialgerichte von einer längeren, etwa dreijährigen
Rechtsanwaltschaft bei einem Amtsgerichte°! abhängig zu machen,
so wenig lässt es sich rechtfertigen, das gleiche Erforderniss für
die Rechtsanwaltschaft bei einem Amtsgericht am Sitze eines
Kollegialgerichts aufzustellen. Dies würde zunächst zu einer
Veberfüllung der kleinen Orte mit Anwälten führen, während die
4 Neujahrsbetrachtung von 1892, S.2 u. 3.
60 Jasrrow in der Zeitschr. f. d. C.-P. Bad. XVIII, S. 302. WıErome in
Rassow und Künzel’s Beiträgen Bd. XXX VII, S. 41.
51 y, Wırmowskı, Zeitschr. f. d. C.-P. Bd. XX, S. 213.