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Störungen des Friedens der Familien, Hetzereien fanatischer
Geistlicher u. s. w. Die 2. Kammer beschloss deshalb eine Be-
seitigung des Bestimmungsrechtes der Mutter durch deren Ver-
pflichtung, die Kinder in der vom Vater bestimmten Konfession
oder nach dessen Konfession zu.erziehen. Neben den „Verträgen“
über die Konfession der Kinder (Art. 1) sollten auch „Versprech-
ungen“ ungültig sein, endlich das Gesetz erst nach „Regelung der
rechtlichen Stellung der Kirche im Staate* in Kraft treten. In der
1. Kammer machte sich eine entgegengesetzte Anschauung geltend,
namentlich hinsichtlich der Gültigkeit von Verträgen über die
religiöse Erziehung der Kinder. Eine Verständigung mit beiden
Kammern konnte jedoch nicht erzielt werden ®.
Die Vorlage eines zweiten Gresetzentwurfes im Mai 1877
veranlasste das Inkrafttreten des Gesetzes vom 23. April 1875
über die rechtliche Stellung der Kirchen und kirchlichen Vereine
(eine Nachbildung der preussischen Maigesetze). In seinen Haupt-
grundzügen sich dem ersten Entwurfe, jedoch mit einigen wesent-
lichen Modifikationen, anschliessend enthielten: Art. 1 „die Bestim-
mung darüber, in welcher Religion die Kinder erzogen werden
sollen, steht bis zum zurückgelegten 14. Lebensjahre derselben
bei ehelichen oder legitimirten Kindern den Eltern — wobei im
Falle der Meinungsverschiedenheiten der Vater entscheidet —,
bei unehelichen Kindern, einerlei ob sie vom Vater anerkannt
sind oder nicht, der Mutter zu. Ist eine Bestimmung hierüber
nicht getroffen, so folgen die ehelichen Kinder der Religion des
Vaters, die unehelichen derjenigen der Mutter. Art. 2. Der nach
Art. 1 zur Bestimmung der religiösen Erziehung der Kinder be-
rufene Elterntheil kann innerhalb des oben festgesetzten Lebens-
alters auch eine Aenderung in seiner Bestimmung vornehmen.
® 8. ScHmipTt, 1. c. S. 414, 415: Prot. der 2. Kammer vom 14. Juli 1863
S.8, 4, 6, 14, 16, 17, 33, 85, 40. Desgl. vom 15. Juli 1863, S. 12—16,
23—27, 88 67, 110, 111. Beil. No. 86 zum 16. Prot. der 1. Kammer, Prot.
über die Sitzung vom 22. Febr. 1864, S. 689—719.
Archiv für Öffentliches Recht. XI. 4. 37