— 563 —
erziehung verwahrloster Kinder bei Missbrauch, ferner Unfähig-
keit, Trennung); bei Ehescheidung entscheidet das richterliche
Urtheil. Den ehelichen Kindern stehen gleich, d. h. das Er-
ziehungsrecht des Vaters richtet sich nach den nämlichen
Grundsätzen, die legitimirten und vollwirksam Adoptirten (bezw.
Arrogirten). Bei unehelichen Kindern steht das Erziehungs-
recht der Mutter zu; es wird nicht durch blosse Anerkennung
der Vaterschaft aufgehoben. Auch nach dem Code civil be-
stimmen die Eltern kraft ihrer elterlichen Gewalt das Religions-
bekenntniss ihrer Kinder. Während bestehender Ehe übt der
Vater allein jenes Recht aus, solange sein Erziehungsrecht
dauert (Art. 213 Code civil), die Ausübung des Erziehungs-
rechtes und der Erziehungspflicht geht gemäss Art. 141 auf die
Mutter über, wenn der Vater verschwunden ist und minderjährige
Kinder zurücklässt; gleiches gilt bei Verhinderung der Ausübung
des Erziehungsrechtes in Folge Geisteskrankheit.e. Auch ein
Eingriff des Familienrathes auf Grund des Art. 444 wegen
schlechter Aufführung kann eine solche Aenderung herbeiführen.
Während eines Scheidungsprozesses ist die gerichtliche Ueber-
tragung des Erziehungsrechtes auf die Frau auf Grund der Art.
267 und 302 Code civil zulässig”. Das vorstehend entwickelte
Recht der Eltern bezw. des Vaters über die religiöse Erziehung
der Eltern findet in Hessen unbeschränkt Anwendung bei nicht
gemischten Ehen, da abweichende Eheverträge bei solchen Ehen
wohl niemals vorkommen *. Sind hiernach beide Eltern evan-
gelisch, so steht es ihnen frei, ihre Kinder evangelisch oder
katholisch erziehen zu lassen. Es besteht kein Recht des Staates
einen Zwang auf die Erziehung in der Konfession der Eltern
auszuüben. In gleicher Weise verhält es sich bei den katho-
lischen Ehen. Ebenso ist schliesslich die Mutter eines unehe-
13 $, ScHMIDT, ]. c. S. 89.
ı* 8. Motive zum zweiten Gesetzentwurf von 1877. Verhandlungen der
2. Kammer der Landstände. Beil. No. 304 zum 46. Prot. S.2.