39 —
Instanz einen ausserordentlichen Umfang und es ist darum einem
in dieser thätigen Rechtsanwalt, wenn er auch nur eine mittlere
Praxis hat, schwer möglich, den Prozess juristisch zu ver-
tiefen, geschweige denn sich wissenschaftlich weiter zu bilden.
Wesentlich anders liegen die Dinge in zweiter Instanz. Ueber-
wiegt dort der Prokurator, so tritt hier der Advokat in den
Vordergrund®®, „Der Rechtsanwalt erhält hier den Prozess als
(sanzes überliefert. Ein Urtheil mit ausgearbeitetem Sachverhalt
liegt bereits vor, das durch die Akten ergänzt wird. Er ist
mithin der gleich mühevollen, wie zeitraubenden Arbeit des
Sammelns enthoben. Sind da auch thatsächliche Ergänzungen,
selbst Neuerhebungen vorzunehmen, wenn es sich um Geltend-
machung eines neuen Gesichtspunktes handelt, oder, wenn auf
bereits in erster Instanz Vorgebrachtes sich beziehende thatsäch-
liche Verhältnisse dort nicht oder nicht genügend aufgeklärt
wurden, so kommen doch solche Fälle im Allgemeinen seltener
vor und die Nachholungen kosten weniger Zeit und Mühe. Denn
diese Erhebungen sind stets nach einer bestimmten Richtung vor-
zunehmen, während der Anwalt erster Instanz erst Ordnung in
das Chaos der Parteierklärungen bringen muss. Ist in zweiter
Instanz das Urtheil dem Gegenanwalt oder von diesem zugestellt
worden, dann ist hier die Thätigkeit des Rechtsanwalts zu Ende.
Alles Uebrige besorgt sein Kollege in erster Instanz, an welchen
dann die Akten behufs weiterer Erledigung und Festsetzung der
Kosten zurückgehen, da Zwangsvollstreckung und Kostenwesen
bei den unteren Instanzen liegen“ ®*,
68 Dies ist denn auch der Grund, weshalb in Frankreich und Belgien
selbst Anhänger der Trennung der Advokatur von der Prokuratur die Be-
seitigung der Avoues an den Appellhöfen und die Uebertragung von deren
Funktionen auf die Advokaten für zweckmässig halten. ForLx in der kriti-
schen Zeitschrift für Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes
Bd. II, 8. 279... Esor a.a.0.S.28 u. 29. Reformes professionnelles 8. 62.
„34 y, Weinrich, Reform S. 89. — Vgl. auch R.-G.-Entsch. in C.-S.
Bd. VIII, S. 426.