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Die in Deutschland geltenden Rechte gehen hinsichtlich der
Frage über die Legitimität eines während bestehender Ehe ge-
borenen Kindes von verschiedenen Grundsätzen aus. In der ge-
meinrechtlichen Doktrin und Praxis ist streitig, ob nur dem
Ehemanne das Recht zusteht, die Vermuthung „pater est, quem
nuptiae. demonstrant“ anzufechten, oder ob — wie die herrschende
Meinung annimmt — auch ohne dass eine solche Anfechtung von
Seiten des Ehemannes erfolgt bezw. die Unehelichkeit des Kindes
in einem zwischen diesem und dem Ehemanne geführten Rechts-
streite festgestellt ist, die Unehelichkeit des Kindes von einem
Jeden nach Massgabe der allgemeinen Grundsätze als Präjudizial-
punkt irgend eines anderen Rechtsverhältnisses durch Widerlegung
der Vermuthung der Ehelichkeit geltend gemacht werden kann.
Dagegen beruhen das preussische Allg. 1.-R. II, 2 88 7 bis
20, 40, 41, der code civil Art. 312—318, die altenb. Ehe-
ordnung 88 149—158, und der hessische Entwurf III Art. 2, 4,
7, 8 auf dem Grundsatze, dass die Unehelichkeit eines von der
Ehefrau während der Ehe oder innerhalb einer bestimmten Frist
nach Auflösung der Ehe geborenen Kindes von Niemandem,
weder von dem Ehemanne, noch von der Ehefrau oder dem Kinde
oder einem Dritten, geltend gemacht werden kann, solange nicht
der Ehemann die Ehelichkeit des Kindes durch einen formellen,
als ein einseitiges Rechtsgeschäft sich darstellenden Akt an-
gefochten hat. Den gleichen Standpunkt vertritt auch der Ent-
wurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches in den 88 1471, 1472,
1473, 1475 erster Lesung bezw. 88 1488, 1489, 1490, 1492
zweiter Lesung und nach den Beschlüssen des Reichstages, sowie
das österreichische Gesetzbuch 88 156, 158, 159. Einen Mittel-
weg zwischen den angeführten neueren heutgeltenden Gesetz-
gebungen und der herrschenden Auffassung des gemeinen Rechts
hat das sächsische Gesetzbuch $8$ 1774 bis 1778 eingeschlagen,
indem nach demselben Jeder, welcher ein Interesse daran hat,
die Unehelichkeit des Kindes nach Massgabe der allgemeinen
Grundsätze durch Widerlegung der Vermuthung der Ehelichkeit
geltend machen kann und die ausdrückliche oder stillschweigende
Anerkennung des Kindes von Seiten des Ehemannes nur gegen-