Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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Die in Deutschland geltenden Rechte gehen hinsichtlich der 
Frage über die Legitimität eines während bestehender Ehe ge- 
borenen Kindes von verschiedenen Grundsätzen aus. In der ge- 
meinrechtlichen Doktrin und Praxis ist streitig, ob nur dem 
Ehemanne das Recht zusteht, die Vermuthung „pater est, quem 
nuptiae. demonstrant“ anzufechten, oder ob — wie die herrschende 
Meinung annimmt — auch ohne dass eine solche Anfechtung von 
Seiten des Ehemannes erfolgt bezw. die Unehelichkeit des Kindes 
in einem zwischen diesem und dem Ehemanne geführten Rechts- 
streite festgestellt ist, die Unehelichkeit des Kindes von einem 
Jeden nach Massgabe der allgemeinen Grundsätze als Präjudizial- 
punkt irgend eines anderen Rechtsverhältnisses durch Widerlegung 
der Vermuthung der Ehelichkeit geltend gemacht werden kann. 
Dagegen beruhen das preussische Allg. 1.-R. II, 2 88 7 bis 
20, 40, 41, der code civil Art. 312—318, die altenb. Ehe- 
ordnung 88 149—158, und der hessische Entwurf III Art. 2, 4, 
7, 8 auf dem Grundsatze, dass die Unehelichkeit eines von der 
Ehefrau während der Ehe oder innerhalb einer bestimmten Frist 
nach Auflösung der Ehe geborenen Kindes von Niemandem, 
weder von dem Ehemanne, noch von der Ehefrau oder dem Kinde 
oder einem Dritten, geltend gemacht werden kann, solange nicht 
der Ehemann die Ehelichkeit des Kindes durch einen formellen, 
als ein einseitiges Rechtsgeschäft sich darstellenden Akt an- 
gefochten hat. Den gleichen Standpunkt vertritt auch der Ent- 
wurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches in den 88 1471, 1472, 
1473, 1475 erster Lesung bezw. 88 1488, 1489, 1490, 1492 
zweiter Lesung und nach den Beschlüssen des Reichstages, sowie 
das österreichische Gesetzbuch 88 156, 158, 159. Einen Mittel- 
weg zwischen den angeführten neueren heutgeltenden Gesetz- 
gebungen und der herrschenden Auffassung des gemeinen Rechts 
hat das sächsische Gesetzbuch $8$ 1774 bis 1778 eingeschlagen, 
indem nach demselben Jeder, welcher ein Interesse daran hat, 
die Unehelichkeit des Kindes nach Massgabe der allgemeinen 
Grundsätze durch Widerlegung der Vermuthung der Ehelichkeit 
geltend machen kann und die ausdrückliche oder stillschweigende 
Anerkennung des Kindes von Seiten des Ehemannes nur gegen-
	        
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