Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

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Berufsgenossenschaft, welche dadurch sich aus ihrer Verbindlich- 
keit zur Zahlung einer Waisenrente befreien will. Das Reichs- 
gericht hat in den Urtheilen vom 8. Juni 1885 (Entsch. Bd. XIII 
S. 276) vom 12. Mai 1887 (ebenda Bd. X VIII S. 288, 291), vom 
10. Juni 1895 (ebenda XXXVI S. 207) für das preussische 
Recht sich der Auffassung zugeneigt, dass der rechtsvermuthete 
Vater befugt sei, die Illegitimitätsklage anzustrengen, sobald er 
innerhalb Jahresfrist seit dem Tage der ihm bekannt gewordenen 
Geburt gegen die Rechtsvermuthung Verwahrung eingelegt habe, 
sowie in dem Urtheile vom 4. Juni 1889 (ebenda Bd. XXIII 
S. 335) für das rheinisch-französische Recht die Voraussetzung 
der Verleugnungsklage sinnentsprechend begrenzt. Nach der un- 
zweideutigen Vorschrift des Allg. L.-R. II, 2 SS 14 u. 20 geht 
das Recht des Vaters auf Anfechtung der ehelichen Geburt auch 
auf seine Erben über, insoweit ihm selbst solches noch zustehen 
würde, er es also nicht in Folge Ablaufes der einjährigen Pro- 
testationsfrist verwirkt hat. Dritten Personen steht eine gleiche 
Befugniss nicht zu. Mithin würde hier die Berufsgenossenschaft 
zur Anfechtung der Legitimität nicht verstattet sein. Anders 
verhält dies sich im Rechtsgebiete des sächsischen bürgerlichen 
(resetzbuches. Hier kann jeder, der ein rechtliches Interesse 
daran hat, die Rechtsvermuthung der ehelichen Geburt durch 
Klage anfechten, sodass die Berufsgenossenschaft rechtsunbe- 
denklich dazu verstattet ist. Es wäre deshalb ihr die Verpflich- 
tung aufzuerlegen gewesen, auf diesem Wege ihre Befreiung vom 
Entrichten der Waisenrente zu erwirken. Denn die Rechtsregel 
des Unf.-Vers.-Ges. $ 63 kann eine Aenderung der Grundsätze 
des materiellen und formellen Rechtes nicht rechtfertigen. Mithin 
findet auch auf sie der Grundsatz Anwendung, dass nur in den 
für das bürgerliche Recht gezogenen Grenzen die Legitimation 
oder Illegitimation der Kinder für Ansprüche aus dem öffentlichen 
Rechte geprüft und festgestellt werden kann.
	        
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