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werden wir zum Schlusse noch über die besonderen Beziehungen der Krone
zu den Gerichten und ihrer Zuständigkeit belehrt. Darnach ist die Krone
regelmässig nicht in der Lage (anderes gilt zum Teil für die Kolonien), neue
Gerichte zu schaffen oder die Jurisdiktion der bestehenden Gerichte zu
ändern; andererseits aber ist der Träger der Krone prinzipiell der Juris-
diktion nicht unterworfen. Indess würden gleichwohl Klagen vermögens-
rechtlicher Natur (aus dinglichen Ansprüchen und Kontrakten), auf dem Um-
wege einer sogenannten Petition of Right gegen den Souverän zugelassen,
während bei unerlaubten Handlungen in Gemässheit des Grundsatzes „the
king can do no wrong“ nur die ausführenden Organe haftbar seien und sich
weder durch Bezugnahme auf einen Auftrag, noch durch den Nachweis, dass
die Handlung im Staatsinteresse geboten gewesen sei, von ihrer Haftung
befreien könnten.
Mit dieser Darlegung schliesst der Inhalt des ebenso klar wie gemein-
verständlich geschriebenen Werkes ab. Anhangsweise (S. 459—476) sind
eine Reihe von Formeln (bezw. Formularen) für Vornahme bestimmter wich-
tiger Regierungshandlungen mitgeteilt, welche dem Leser eine ganz lebendige
Anschauung der Funktionierung der verschiedenen staatlichen Organe bieten
und so zugleich den vom Verfasser verfolgten Lehrzweck möglichst voll-
kommen erreichen lassen.
So wertvoll nach dem Gesagten das Werk als Unterrichtsmittel ist —
und es steht als solches einzig in seiner Art da —, seine Bedeutung ist da-
mit keineswegs erschöpft.
Jene eigentümliche Thatsache, dass die englische Verfassung, im Gegen-
satz zu den mehr oder minder nach ihrem Vorbilde geschaffenen modernen
(kontinentalen) Verfassungen, auf dem unbestimmteren und schwankenderen
Grunde der Gewohnheit und des Herkommens beruht, hat den Verfasser
veranlasst, nicht nur die Litteratur und die mitunter sehr entlegenen Quellen
eingehend zu berücksichtigen, sondern auch durch Anfragen und persönlichem
Austausch mit den leitenden Staatsmännern und den Beamten der verschie-
denen Ressorts einen möglichst klaren Einblick in das Wesen, die Funktionen
und das gegenseitige Verhältnis der verschiedenen Regierungsgewalten zu
gewinnen. Diesen, Jahre lang fortgesetzten, auf Erkundung der lebendigen
Tradition gerichteten Bemühungen ist es zu danken, dass das Werk und dass
namentlich der uns vorliegende zweite Band eine Fülle von Aufklärung und
Belehrung bietet, welche man anderwärts vergeblich suchen wird, und dass,
wie von hervorragender Seite betont worden ist, selbst der Kundige kaum
ein Kapitel durchlesen wird, ohne sich in seiner Erkenntnis des Gegenstandes
viel intensiver benützten, lichtvollen und dem Verständnis des deutschen
Lesers angepassten Darstellung der Gerichtsverfassung in dem Werke von
Ernst Schuster, „Die bürgerliche Rechtspflege in England“, Berlin 1887,
8. 1--50.