Full text: Archiv für öffentliches Recht.Elfter Band. (11)

— 603 — 
ganzer Schärfe erkennen. Der Verfasser will — nicht geblendet von dem Glanze 
des kaiserlichen Titels und abweichend von den meisten Staatsrechtslehrern 
— den preussischen Einfluss innerhalb der deutschen Reichsverfassung unter 
gänzlicher Ausserachtlassung der politischen Momente darstellen und ein 
Bindeglied zwischen den Systemen des preussischen Staatsrechtes und des 
deutschen Verfassungsrechtes schaffen. Recensent vermag die auch von KıTTEuL 
nach dem Vorbilde seines Lehrers (Frhr. von STENeEL im Handbuche des 
öffentlichen Rechtes II, 3) aufgestellte Schranke bei Darstellung des preussi- 
schen Staatsrechtes, welche die preussische Hegemonie im Reiche ausser Acht 
lassen müsse, nicht als notwendig oder zweckmässig anzuerkennen. Gerade 
die einseitige Betrachtung der preussischen Machterweiterung ausschliesslich 
vom Standpunkt des Reichsstaatsrechts aus führt zu den (auch im Archiv 
Bd. XI S.309 bekämpften) unrichtigen Konstruktionen der rechtlichen Natur 
des Reiches und der Reichsgewalt. Kırrens Hauptsatz, der wie die übrigen 
Sätze der eingehenden Begründung und Entwicklung entbehrt, lautet: „Die 
preussische Hegemonie“, unter welcher Bezeichnung die Präsidialfunk- 
tionen, die Ehrenrechte und die Verfügungsgewalt über die Armee und 
Marine zusammengefasst werden, „ist nicht eine exceptionale Erscheinung, 
die rein äusserlich in das Verfassungswerk hineingetragen wurde, sondera 
direkte Voraussetzung für den ganzen deutschen Staatenbundes- 
bau. Sie fällt (als Gesamtbegriff) nicht unter die in Art. 78 II bezeich- 
neten Sonderrechte, Preussen kann hierauf nicht verzichten“. Die weiteren 
Sätze, dass die Hegemonie oder ihre wesentlichen Bestandteile (z. B. Art. 11) 
nicht ohne tiefe Umänderung der Verfassung aufgehoben werden können, dass 
das Präsidium etc. auch dem preussischen Regenten — allerdings ohne den 
Ehrentitel eines deutschen Kaisers (vgl. Archiv VI 8.574) — zusteht, be- 
durften u. E. nicht der besonderen Hervorhebung als Ergebnisse einer neuen 
Konstruktion, aus der auch der weitere Satz abgeleitet wird, dass der Reichs- 
kanzler sich „nicht wohl“ von dem preussischen Ministerium trennen lasse; 
ohne auf diese Frage irgend einzugehen, behauptet sodann Kırreu lediglich, 
dass nach seiner Konstruktion, worunter wohl der erwähnte Hauptsatz zu 
verstehen ist, die Trennung der Reichs- und preussischen Staatsorgane auch 
theoretisch der Verfassung zuwiderlief. 
Ob die staatsrechtliche Lösung des Problems durch die Einschiebung 
des juristisch schwer fassbaren Begriffes der Hegemonie überhaupt gefördert 
worden ist, muss Recensent bezweifeln. Wenn z. B. KırrEL ausführt: 
„Preussen hat nur das Recht auf das Präsidium, während die einzelnen 
Präsidialbefugnisse nicht in den direkten Bereich des preussischen Hegemonial- 
rechtes gehören“, so ist das u. E. nicht klarer oder anschaulicher als die von 
LaBann, Reichsstaatsrecht I, $ 24i.f. gegebene Unterscheidung. Mit Recht 
hat dagegen Kırraı die zu weitgehenden Folgerungen bekämpft, die Zorn, 
Rıc#arn Fischer (der, wie Kırrku feststellt, Zorns bezügliche Darstellung 
teilweise einfach abgeschrieben hat) u. a. aus der Wiedererrichtung der
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.