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zu sein. Ohne eine solche Kundgebung „durch das blosse Vorliegen den
Staat bedingender Erfordernisse“ entsteht doch kein Staat. Das hat auch
LEonı empfunden und daher den Versuch gemacht, aus dem Vereinigungs-
gesetz die Begründung eines Staates Elsass-Lothringen abzuleiten. Rosen-
BERG hat für seine Theorie gar keine Unterlage. Und es existirt auch keine
dafür. Die Verträge können sie nicht sein; denn was Frankreich abtrat,
waren nur lose Ländermassen „territoires“, die erst durch den Vertrag
ihre Begrenzung erhielten. Vereinigungsgesetz und Reichsverfassung ent-
halten ebenfalls nichts von der Bildung eines Staates. Woher nimmt daher
der Verfasser die Berechtigung, aus der Reichsgewalt über Elsass-Lothringen
ein Stück willkürlich herauszuschneiden, den Geltungsbereich dieses Segments
Staat zu nennen und die verbündeten Staaten zum Herrscher dieses Staates
zu machen? Solange der Verfasser hierfür keinen Rechtsgrund zu erbringen
vermag, sind sein geniales Plaidoyer für den Staat Elsass-Lothringen und
alle daran geknüpften Folgerungen nicht stichhaltig.
Mainz. Dr. Ernst Mayer.
Adolf Weissler, Rechtsanwalt in Halle a. S. Das Notariat der preus-
sischen Monarchie. Verlag von ©. E. M. Pfeffer, Leipzig 1896.
LXXXIX u. 461 Seiten. gr. 8. 12 Mk., geb. 14 Mk.
Eine zeitgemässe und beachtenswerthe Arbeit, als deren Grundgedanke
das Bestreben hervortritt, durch eine systematische Darstellung der verschie-
denen preussischen Notariatsverfassungen die diesen allen gemeinsamen oder
von einander abweichenden Rechtsregeln vorzuführen, sowie die zur Rechts-
verbindlichkeit der Rechtsgeschäfte nach den Vorschriften der Privatrechte
erforderlichen Formvorschriften übersichtlich darzustellen. Dadurch erlangt
es die Eigenschaft eines Lehrbuches, neben dieser eines jederzeit willkom-
menen Rathgebers hinsichtlich der für den Notar wissenswerthen Bestim-
mungen. Dieser doppelten Aufgabe entsprechend wird zunächst (S. XIII bis
LXXXIX) der Text der drei preussischen Notariatsordnungen mit Ergän-
zungen und Hinweisen gebracht. Daran schliesst sich das eigentliche System
an, welches in vier Hauptabschnitte: Allgemeines, worunter der geschicht-
liche Entwickelungsgang, die Quellen und eine reichhaltige Bibliographie zu
verstehen, Verfassungsrecht, Urkundrecht, Gebühren und Stempelwesen zerfällt.
Von diesen ist der erste auch für den Laien von weitgehendem Interesse. Mit
grossem Fleiss ist das geschichtliche Material zusammengetragen, aus welchem
S. 7 die Entstehung notarieller Urkunden in das 14. Jahrhundert verlegt und
als erste Bestätigung ihrer Beweiskraft ein kurfürstlicher Erlass von 1479
herangezogen wird, welcher das Erbringen des Beweises durch Fürstenbriefe
oder Eid anerkannte. Die Notare sind (S. 123) aus den kaiserlichen Kabinets-
sekretären (notaric) hervorgegangen, welche man bereits in dem longobardischen
Rechte antrifft, und als deren erste 1145 Arırnus im Magdeburgischen
und 1230 Perrus im Brandenburgischen bekannt. Als erstes Formularbuch